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Eine italienische Kindheit

Eine italienische Kindheit

Titel: Eine italienische Kindheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Zapperi
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auf dem Campo dei Fiori mit einer großen Trikolore schrie – und das war wirklich die Freiheit – etwas Helles, das aus den Leiden ihrer Armut hervorbrach. Eine Mutter kam mit ihrem Säugling auf die Straße gelaufen und sagte: ‹Ich will, dass auch er diese Luft einatmet.› Bei den Gefängnissen eine große Menschenmenge zwischen der unschlüssigen Polizei, die in der Zwischenzeit ihre Abzeichen und Kopfbedeckungen weggeworfen hatte. Die politischen Häftlinge kamen mit ihren Bündeln heraus,mit bleichen, etwas aufgequollenen Gesichtern, als ob die Haft sie gesiedet oder gekocht hätte. Die Menge beschimpfte nun ihre Idole, so wie sie ihnen zwanzig Jahre lang zugejubelt hatte. Man zog an Stricken Bildwerke von Persönlichkeiten über das Pflaster, und ich bin mir nicht sicher, ob es nicht nur geschah, um sich des Metalls zu bemächtigen. Es war wie ein großes Gerede, ein großes Lachen, in dem eine Art Neid seine Befriedigung fand, der so lange Zeit unterdrückt worden war, dass es jetzt nicht einmal mehr Freude machte, ihn zu befriedigen.»
    Eine der ersten Maßnahmen der vom König eingesetzten Regierung von General Pietro Badoglio war die, von allen öffentlichen Gebäuden die Symbole des gestürzten Regimes entfernen zu lassen. Die Römer hatten solche Befehle indessen gar nicht abgewartet und sich unter dem Beifall der feiernden Menge schon darangemacht, die zahlreichen Rutenbündel, die Zeichen des vergangenen Regimes, von den Mauern abzuschlagen, wie es das Foto zeigt. Inzwischen hatten die Bonzen des Faschismus zahlreich Schutz in der deutschen Botschaft gesucht mit dem einzigen Wunsch, das erstmögliche Flugzeug nach Deutschland zu besteigen, was vielen von ihnen auch gleich gelang. Am 3. September unterzeichnete die Regierung Badoglio im sizilianischen Ort Cassibile einen geheimen Waffenstillstand zwischen Italien und den anglo-amerikanischen Alliierten. Die Deutschen hatten schnell begriffen, dass die Dinge äußerst schlecht für sie standen, und deshalb schon am 25. Juli mehrere Divisionen, darunter auch gepanzerte, nach Italien geschickt, die nördlich von Rom am Lago di Bolsena Stellung bezogen, von wo aus es leicht war, die Ewige Stadt zu besetzen. Am 8. September sendete das Radio abends einen Aufruf desamerikanischen Oberkommandierenden der alliierten Truppen in Italien, General Dwight D. Eisenhower, in dem er den Abschluss des Waffenstillstands verkündete, der das Bündnis Italiens mit Deutschland brach.
    Gleich nachdem er diese Nachricht im Radio gehört hatte, organisierte der Pfarrer in Antraccoli eine Dankesprozession zu Ehren der Madonna in der Illusion, dass der Krieg zu Ende und der Frieden endlich wieder zurückgekehrt sei. Auch meine Mutter nahm daran teil und ich in ihrem Gefolge. Doch war es ein schwerer Irrtum, an das Ende des Krieges zu glauben. Schon am Abend des 8. September setzten sich die deutschen Truppen in Richtung Rom in Bewegung, und am Morgen des 9. September wurde General Badoglio darüber informiert, dass die Deutschen alle Zugänge zur Stadt kontrollierten. Nur die Via Tiburtina war noch offen, um eine Flucht in das von den Anglo-Amerikanern besetzte Süditalien zu versuchen. Der König Vittorio Emmanuele III. von Savoyen und die Königin, der Kronprinz Umberto und die hohen Offiziere flohen daraufhin im Auto nach Pescara, wo sie im Hafen ein Kriegsschiff erwartete, das sie nach Brindisi ins ferne, aber sichere Apulien brachte, wo sie vor allen deutschen Repressalien geschützt waren.
    Die Flucht der obersten militärischen Ränge führte zur völligen Auflösung des italienischen Heers. Der in Rom von wenigen zerstreuten Kontingenten zusammen mit einigen Gruppen bewaffneter Zivilisten organisierte Widerstand, aus dem der erste Kern der Partisanen hervorging, sah sich den viel besser bewaffneten und viel zahlreicheren Deutschen gegenüber. Bei den blutigen Zusammenstößen fanden viele Italiener den Tod. Die Kampfhandlungen fanden vor allem um die Porta di San Paolo und längs der Via Ostiensestatt, aber die deutsche Übermacht zwang die Italiener schnell, sich zu ergeben. Am 12. September befreite jedoch eine Fallschirmtruppe unter dem Kommando von Otto Skorzeny Mussolini, der nach dem Staatsstreich des 25. Juli in einem Hotel auf dem Campo Imperatore des Gran Sasso, des höchsten Berges der Abruzzen, gefangen gehalten wurde. Er wurde nach München gebracht und gründete von dort aus eine neue faschistische Partei, eine mit Deutschland verbündete Regierung und

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