Eine italienische Kindheit
altehrwürdige Abtei durch den tonnenweisen Abwurf von Bomben dem Erdboden gleichgemacht – ganz unnützerweise. Die Deutschen lagen nämlich gar nicht auf dem Klosterberg, sondern hatten sich gegenüber beim Monte Cairo verschanzt, von wo aus sie die anglo-amerikanischen Truppen im engen Tal in Schach hielten. Es handelte sich um eine Fallschirmspringer-Division der deutschen Wehrmacht, eine Elitetruppe mit großer Erfahrung. Deren Kommando ließ die Alliierten wissen, dass sie das Kloster nicht besetzt hatten, aber dies wurde nicht geglaubt. So kam es zum schweren Bombenangriff des 15. Februar 1944, als das Kloster einen ganzen Tag lang bombardiert wurde und viele Menschen, die dort Schutz gesucht hatten, elend ums Leben kamen. Die «Fliegenden Festungen» kamen zu Hunderten von den Flughäfen in Foggia, Sizilien, Nordafrika und sogar aus Großbritannien angeflogen. Danach richtetensich die Deutschen in den Trümmern der Abtei ein und setzten den Alliierten einen erbitterten Widerstand entgegen mit schweren Verlusten für die Angreifer. Zwischen Januar und Mai starteten die Alliierten vier Offensiven, die Tausenden ihrer Soldaten das Leben kosteten.
Die Abtei Montecassino nach den amerikanischen Bombenangriffen
Zum Glück waren vor den Angriffen das historische Archiv und die Schätze der Abtei in Sicherheit gebracht worden. Das gegen 529 vom heiligen Benedikt gegründete Kloster Montecassino besaß viele kostbare Urkunden und Handschriften zum Teil aus dem frühen Mittelalter, ein Erbe von unschätzbarem Wert. Dazu lagerten im Kloster die wertvollsten Gemälde aus den Neapolitaner Museen, die zum Schutz dorthin gebracht worden waren. Schon im Oktober 1943 begaben sich zwei Offiziere der Division Göring nachMontecassino, um dem Abt Gregorio Diamare mitzuteilen, dass die Abtei bald zum Kriegsschauplatz werden würde und in Gefahr sei. Deshalb müssten so schnell wie möglich das Archiv, die Bibliothek und die Kunstschätze sowie alle kostbaren liturgischen Geräte fortgeschafft werden. Dies wurde nun in größter Eile bewerkstelligt und das kostbare Gut auf Lastwagen der Wehrmacht zuerst nach Spoleto und dann nach Rom gebracht, wo das Archiv und die Bibliothek in der Vatikanischen Bibliothek eingelagert wurden. Dennoch war die Rettungsaktion kein Ruhmesblatt für das deutsche Militär. Die Divison Göring – dieselbe, die auch für viele Verheerungen im Raum Neapel verantwortlich war – hatte sie mit der uneingestandenen Absicht organisiert, einige der berühmten Gemälde aus Neapel für den Führer und seinen Reichsmarschall, dessen Namen die Truppe trug, abzuzweigen. Als die Kisten endlich in Rom eintrafen, fehlte ein Teil; mehrere der evakuierten Gemälde wurden nach dem Krieg in Deutschland wiederaufgefunden. Um das Hindernis von Montecassino zu umgehen, waren am 22.Januar 1944 auf Anweisung General Clarks, des Kommandanten der 5. amerikanischen Armee, auch gut ausgerüstete amerikanische Truppen bei Anzio im südlichen Latium gelandet, etwa fünfzig Kilometer von Rom entfernt. Doch auch hier trafen die Amerikaner auf den Widerstand der von General Kesselring mit unbestreitbarem taktischen Geschick befehligten deutschen Truppen. Die Amerikaner konnten sich nur wenige Kilometer vom Strand entfernen.
Während alles dies geschah, wurden in Rom die Lebensmittel knapp, und bei uns kam jeden Tag das Gleiche auf den Tisch. Meinem Vater war es gelungen, einen Sack Reis aufzutreiben, dazu einen ganzen Schinken und eine Kiste Malzin Büchsen. Malz hatten wir nie im Leben probiert. Es hatte einen scharfen, etwas widerwärtigen Geschmack, aber es gab nichts Besseres, und so mussten wir täglich dieses Malz aufs Brot streichen. Brot konnte man zwar noch beim Bäcker mit Lebensmittelmarken kaufen, aber die tägliche Ration von hundert Gramm pro Kopf war nicht gerade viel. Mein Vater hielt sich für einen Glückspilz, diese wenigen Lebensmittel beschafft zu haben, denn die Versorgungslage der Stadt verschlechterte sich von Tag zu Tag. Es wurde immer schwieriger, etwas zu essen zu bekommen. Meine Mutter beklagte sich, dass sie auf dem nahen Gemüsemarkt nichts mehr fand und sie schon froh sein konnte, einen Salatkopf heimzutragen. Mehl wurde dagegen immer noch geliefert, wenn auch mit Schwierigkeiten, die Gefahr war jedoch, dass durch die Blockade des Verkehrs auch dies nicht mehr möglich sein würde. Der akute Mangel an Lebensmitteln und vor allem an Brot führte sogar zur Erstürmung von Brotöfen durch die
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