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Eine Japanerin in Florenz

Eine Japanerin in Florenz

Titel: Eine Japanerin in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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Carabiniere. Ich habe dir doch erzählt, daß sie angerufen haben. Kommen Sie bitte hier entlang.«
    Ein helles und erfreulich großes Zimmer mit Fenstern, die bis zum Boden reichten und auf einen Balkon mit reichlich Grün dahinter hinausgingen. Ein kräftiger Junge mit großen Augen wandte sich vom Tisch zu ihm um, wie auch die Frau vom Personalausweis. Sie war sehr stark, wenn auch ein wenig einseitig geschminkt, und ganz und gar lebendig.
    »Setzen Sie sich doch, Maresciallo«, bat ihn der Ehemann freundlich, ohne ihm jedoch zu sagen, wohin. Es blieb ihm überlassen, sich einen Platz auszusuchen, während der Mann von dem Teller vor einem leeren Stuhl weitere Spaghetti auf die Gabel wickelte.
    »Du mußt aufhören, ihr Schokolade zu geben.«
    »Sie ißt ja sonst nichts. Was soll ich denn tun? Sie verhungern lassen?« Die Frau schenkte sich ein Glas Rotwein ein und blickte den Maresciallo fragend an. »Was ist los? Ist was passiert?«
    »Nicoletta! Komm sofort hierher zurück!«
    »Ich hab keinen Hunger.«
    Der Maresciallo blickte über die Schulter und sah den Roller, verfolgt von einer Gabel Spaghetti, an der Tür vorbeisausen. Der Junge am Tisch schaufelte unbeeindruckt die vor ihm stehenden Spaghetti weiter in sich hinein.
    In seiner Verwirrung war der Maresciallo recht dankbar für all die Ablenkung, denn so gewann er Zeit, sich einen neuen Plan zurechtzulegen. Die Frau hatte ihn zwar nach dem Grund seines Kommens gefragt, schien sich aber für die Antwort ebensowenig zu interessieren wie für die Eßgewohnheiten ihrer kleinen Tochter. »Ich glaube, Sie haben heute Ihre Handtasche verloren«, beschloß er, zunächst einmal mitzuteilen.
    »Oh, Gott sei Dank. Ich wußte doch, daß ich sie im Supermarkt stehengelassen habe. Das ist jetzt schon das zweite Mal! Welch eine Hektik, nur wegen der Tasche! Ich mußte mir die Hausschlüssel von unserer Zugehfrau holen. Meine Mutter hat auch einen Schlüssel, aber sie war schon losgefahren, um Nicoletta von der Schule abzuholen und in die Tanzstunde zu bringen.«
    Das kleine Mädchen schoß zur Tür herein, umrundete den Tisch und schoß wieder hinaus, die ganze Zeit das triumphierende Lächeln auf dem Gesicht, das – obwohl sie ihn nie direkt anschaute – einzig und allein für den Maresciallo bestimmt war.
    Der Vater wickelte eine weitere Portion Spaghetti auf die Gabel. »Hast du einen Termin bei dem Kinderarzt für sie gemacht?«
    »Ich glaube, Mutter hat das erledigt. Ich frage sie morgen nachmittag. Wir gehen zusammen einkaufen.«
    »Sie sollte mich morgen nachmittag aber zum Fußballtraining bringen«, protestierte der kleine Junge.
    »Roberto, kannst du das nicht übernehmen?«
    Der Maresciallo registrierte die Antwort nicht. Das Haar der Frau war sehr lockig und grell gefärbt, dabei allerdings ziemlich nachlässig frisiert. Aber was ihn am meisten erstaunte war ihr Make-up, dunkelbraun und sehr großzügig verteilt. Von den Augenlidern strahlte ihm ein leuchtendgrüner Strich entgegen, der aussah, als hätte ihn das kleine Mädchen aufgetragen, während es mit dem Roller an ihr vorbeigeschossen war. Das gab ihr ein leicht anrüchiges Aussehen, obwohl nicht zu übersehen war, daß das Leben es bislang gut mit ihr gemeint hatte. Ihre selbstgefällig lächelnde Miene war eine perfektionierte Version des Lächelns ihrer Tochter.
    »Marco, sei so gut und hol dem Maresciallo ein Glas.«
    Gehorsam stand der Junge auf.
    »Nein, nein. Vielen Dank, Signora.«
    »Nun geh schon!« Als der Junge den Raum verlassen hatte, beugte sie sich zu dem Maresciallo hinüber. »Sagen Sie Roberto bitte nichts wegen der Handtasche«, flüsterte sie rasch. »Er ist schon ziemlich sauer wegen des Kinderarztes, und ich werde ihm nicht verraten, daß meine Mutter mit ihr bereits in der Sprechstunde war. Der Arzt meint, daß sie möglicherweise die ganze Zeit leicht erhöhte Temperatur habe und deswegen an Appetitlosigkeit leide. Er wollte ihr Blut untersuchen, stellen Sie sich das einmal vor. Das werde ich niemals zulassen. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, daß sie mein kleines Mädchen mit einer Nadel piksen. Das verstehen Sie doch, oder?«
    Der kleine Junge kam mit einem Glas zurück und setzte sich wieder. Mit einem Stück Brot wischte er den letzten Rest Sauce vom Teller und reichte dann den sauberen Teller weiter, um sich etwas von der großen Frittata auflegen zu lassen, die mitten auf dem Tisch neben der Salatschüssel thronte. Der Maresciallo beobachtete ihn. Wenigstens

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