Eine Japanerin in Florenz
schien diese Frau mit dem wirren Haarschopf kochen zu können. Es war spät. Die Frittata sah gut aus, und er war hungrig.
»Wollen Sie wirklich nicht einmal einen winzigen Schluck?«
»Nein, danke, wirklich nicht.«
»Mama! Sie hat schon wieder Zwiebeln reingemacht. Ich mag keine Zwiebeln!« Was ihn aber nicht vom Essen abhielt.
»Tut mir leid, da kann ich nichts machen.«
»Warum sagst du Miranda nicht, daß ich keine Zwiebeln mag?«
»Das habe ich doch.«
»Dann sag es ihr noch mal.«
»Möchtest du noch ein bißchen?«
Während sie ihm eine großzügig bemessene zweite Portion auflegte, kam das Mädchen hereingehüpft und begann mit einem Riegel Schokolade in der Hand um den Tisch herumzuhopsen, gefolgt von ihrem erschöpften Vater, der sich vor einem Teller Nudeln niederließ, die mittlerweile wohl eiskalt geworden waren. Der Maresciallo wußte, daß er diese Frau allein, ohne ihren Mann, in seinem Büro sprechen mußte, wenn er eine vernünftige Antwort von ihr bekommen wollte. Er stand auf.
»Entschuldigen Sie bitte die Störung. Ich mach mich jetzt mal wieder auf den Weg.«
Der Ehemann machte Anstalten, sich zu erheben.
»Nein, nein, bleiben Sie doch bitte sitzen, und essen Sie weiter. Ihre Frau wird mich nach draußen bringen, sie hat schon fertiggegessen.«
Dankbar schaute er ihn an. »Um was ging es denn eigentlich? Warst du Zeugin bei einem Verkehrsunfall oder so was?« erkundigte er sich bei seiner Frau, den Mund voller Spaghetti.
»Ihre Frau könnte vielleicht als Zeugin gehört werden, ja. Kein Grund zur Sorge. Bitte entschuldigen Sie mich jetzt.«
An der Tür fixierte er die Frau mit einem Blick, von dem er hoffte, daß er einschüchternd wirkte. »Signora, Sie haben die Handtasche nicht im Supermarkt stehenlassen. Sie ist am Becken im oberen Teil des Botanischen Gartens im Boboli-Garten gefunden worden.«
Bis zu jenem Zeitpunkt hatte er ihr nichts weiter als krausköpfigen Egoismus und chronische Faulheit unterstellt, aber jetzt glitzerten ihre Augen plötzlich verräterisch, und unter der dicken Make-up-Schicht färbte sich das Gesicht dunkelrot.
»Wenn ich sie im Supermarkt nicht vergessen habe, dann hat sie jemand gestohlen, an der Kasse, als ich mein Zeug eingepackt habe. So muß es gewesen sein. Ich habe da eine Gruppe Leute stehen sehen, Albaner, glaube ich. Wenn die Tasche im Boboli-Garten wieder aufgetaucht ist, dann nur, weil sie sie ausgeräumt und anschließend dort fortgeworfen haben. So machen sie es doch normalerweise, oder? Sind meine Schlüssel noch drin? Wenn nicht, muß ich jeden Morgen auf Miranda warten, bis meine Mutter mir einen Ersatz anfertigen lassen kann. Sie muß es machen, denn ich werde Roberto nichts davon verraten. Wissen Sie, ob die Schlüssel noch in der Tasche sind?«
»Ta, Signora, sie sind noch da.«
»Eigentlich hätten Sie die Tasche gleich mitbringen können, oder? Hätte mir viel Ärger erspart.« Glücklicherweise mußte sie leise reden, damit ihr Mann sie nicht hören konnte. Aber der aggressive Unterton war nicht zu überhören. Wie hielt ihr Mann es nur mit ihr aus? Der Maresciallo hielt sich selbst für recht geduldig, aber Roberto mußte ein Heiliger sein.
»Signora, bitte holen Sie Ihre Handtasche in meinem Büro auf der Carabinieri-Wache im Palazzo Pitti ab. Da können wir dann auch gleich die Formalitäten erledigen. Morgen allerdings noch nicht, denn ich muß erst noch die Freigabe des Staatsanwalts einholen.« Er sprach bewußt langsam und ruhig, noch gelassener und ausdrucksloser als gewöhnlich. Jeden, der ihn kannte, hätte das in höchste Alarmbereitschaft versetzt.
»Was für ein Umstand! Ich werde es aber kaum vor elf schaffen, denn ich habe übermorgen einen Friseurtermin. Ich lasse mir neue Strähnchen machen, blonder. Es kostet ein Vermögen, und es dauert schrecklich lange, aber wenigstens kommen sie dann richtig zur Geltung.«
»Und wenn wir dann in meinem Büro sind, Signora, erzählen Sie mir bitte den genauen Hergang, wie Sie das entdeckt haben, was Sie für eine Wasserleiche hielten, und warum Sie fortgelaufen sind, nachdem Sie den Gärtner informiert hatten.«
»Wollen Sie damit sagen, daß es gar kein Mensch war? War es ein Hund oder ein anderes Tier? Auf jeden Fall war es ziemlich eklig, na ja, schon gut.« Wäre er ein wenig kleiner und weniger massig gewesen, sie hätte sich nicht gescheut, handgreiflich zu werden und ihn zur Tür hinauszuschieben, die sie krachend hinter ihm zuwarf. Was für eine
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