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Eine Japanerin in Florenz

Eine Japanerin in Florenz

Titel: Eine Japanerin in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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macht nichts. Wenn Sie sich nur diesen Pulli hier anschauen würden. Ist das Ihr Etikett? Ich meine, ist es echt? Inzwischen gibt es so viele Fälschungen.«
    »Nein, nein. Das ist echt. Ich erkenne den Pullover. Er ist aus der Vorjahreskollektion.«
    »Und ich nehme an, Sie haben Hunderte davon verkauft.«
    »Hunderte? Nein. Ein so feines Leinen ist sehr teuer. Über fünfhundert Euro. Allerdings habe ich fünf Verkäuferinnen hier, und bei den vielen Touristen, die bei uns kaufen … Wir können sie nicht alle kennen.«
    »Natürlich nicht. Aber könnte uns Ihre Buchhaltung aus dem letzten Jahr vielleicht weiterhelfen? Wenn Sie nicht so viele verkauft haben und sie vielleicht mit Kreditkarte gezahlt hat?«
    »Vielleicht, wäre schon möglich.« Eine wirklich nette Frau, ungefähr im gleichen Alter wie der Maresciallo, das graumelierte, blonde Haar einfach frisiert, dezente Kleidung. Man konnte ihr ansehen, daß sie gerne geholfen hätte. »Aber bei diesem Chaos hier, und ich muß die Winterkollektion noch zusammenstellen für die Messe, und direkt danach ist Sommerschlußverkauf. Ich weiß wirklich nicht, wo ich die Zeit hernehmen soll. Unmöglich.« Sie wies mit einer hilflosen Geste auf das Durcheinander und runzelte die Stirn. Sie war kaum geschminkt, und die dunklen Ringe unter den Augen waren deutlich sichtbar.
    »Wenn ich Ihnen einen meiner Männer vorbeischicken würde …«
    »Nein, bloß nicht. Das ist wirklich das letzte, was ich brauche. Tut mir leid, aber wenn Sie sich einfach gedulden könnten, bis die Arbeiter fertig sind. Sollte höchstens noch ein bis zwei Tage dauern.«
    Er hatte größtes Verständnis für die Frau, reichte ihr darum seine Karte und nahm eine von ihren. Als er sich durch den Lärm und Staub einen Weg zurück ins Freie bahnte, hoffte er für sie wie für sich selbst, daß es sich wirklich nur noch um ein, zwei Tage handelte. Sie würde ihm helfen, wenn sie konnte, das spürte er. Außerdem hatte er etwas Wichtiges erfahren: Ein Pullover, der mehr als fünfhundert Euro kostete und der im Alltag zu Jeans getragen wurde, deutete darauf hin, daß die tote, junge Frau Geld hatte. Er stieg in den Wagen, nannte dem Fahrer das neue Fahrziel und wappnete sich für das Gespräch mit dem aufbrausenden Schuhmacher.
    »Die Straße ist für den Verkehr gesperrt«, erinnerte ihn der junge Carabiniere. »Soll ich trotzdem hineinfahren?«
    »Ja, bitte.« Er durchforschte sein Gedächtnis nach einer Situation, in der er den Schuhmacher ruhig und fröhlich angetroffen hatte. Doch ihm fiel nur jene Begebenheit ein, als ein Feuerteufel seinen Wagen in Brand gesetzt hatte. Er hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Der Lehrling war allein im Laden. Er stand an der Werkbank, der Tür den Rücken zugewandt.
    »Guten Morgen.«
    Der junge Mann schnitt auf einer Marmorplatte ein Stück Leder zu, freihändig, mit einer Art Skalpell. Er beendete den Schnitt, legte bedächtig das Messer aus der Hand und wandte sich dann mit einem Lächeln zu ihm um.
    »Gehen in Geschäft, bitte.« Er wies ihm mit der Hand die Richtung. »Borgo San Jacopo.« Das war nicht Peruzzi. Das war ganz offensichtlich ein Japaner, und somit hatte er ein Kommunikationsproblem. Immerhin war der Fremde ganz ruhig und freundlich.
    »Ist Peruzzi im Geschäft?«
    »Kein Peruzzi. Heute Krankenhaus.«
    »Verstehe. Ich muß mit ihm sprechen. Wird er morgen wieder hier sein?«
    »Ja. Heute Krankenhaus.«
    »Und Sie sind sein Lehrling? Wie lange arbeiten Sie schon hier? Ein Jahr? Einen Monat? Wie lange?«
    »Ja. Zehn Monat.«
    Machte es da Sinn, ihn wegen des Schuhs zu befragen? Zumindest würde er mehr darüber wissen als der Maresciallo. Er öffnete die Tasche und holte den Schuh heraus. »Können Sie mir irgend etwas über diesen Schuh sagen? Irgendwas?«
    Das Lächeln war schlagartig aus seinem Gesicht verschwunden.
    »Sie kennen den Schuh? Wer hat ihn gemacht? Peruzzi? Ist es eine Kopie?« Er verstieß gegen alle Regeln, bot Lösungen an, redete, statt zuzuhören und zu beobachten. Wegen des Sprachproblems. Aber Worte sind nicht alles. Der junge Mann wirkte erschrocken, besorgt. Er machte einen Schritt zurück, brachte Abstand zwischen sich und den Schuh, warf einen raschen Blick nach hinten und blieb dann stehen. Der Maresciallo setzte sich auf die polierte Holzbank und schwieg. Wenn man lange genug schwieg, begannen die meisten Menschen zu reden, um Verlegenheiten zu vermeiden oder zu überspielen. Er plazierte Kappe und Sonnenbrille

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