Eine Japanerin in Florenz
seine Tochter an, die einen Teller mit Hühnchen in funkelnder Tomatensauce und einen Korb mit Brot in der Hand trug. »Laß das Brot hier, damit der Maresciallo ein Glas Wein mit mir trinken kann, während er darüber nachdenkt, was er essen möchte, und besorg neues für Santini.« Er winkte mit dem Korb hinüber zu dem jungen Restaurateur am hinteren Tisch. »Tut mir leid. Sie bringt sofort neues.«
Santini hob prostend das Glas und grinste.
Der Maresciallo nickte. »Ein talentierter Bursche.«
»Stimmt«, meinte Lapo. »Aber er wird es nie zu etwas bringen. Er verbringt Wochen damit, alte Küchenschränke mit Blumenmalereien an den Türen zu restaurieren, die er irgendwo im Norden auftreibt, und verkauft sie dann zum halben Preis ihres wahren Wertes. Er sagt, die Arbeit mache ihm Spaß und wenn er die Möbel wegen des hohen Preises länger lagern müßte, hätte er keinen Platz mehr, um neue Schränke zu kaufen und zu restaurieren. – Zum Wohl, Maresciallo.«
Sonnenstrahlen drangen durch das Glas und lie ßen rote Flecken auf dem weißen Papiertuch tanzen. Das Brot war knusprig und frisch, und das Hühnchen roch so gut …
»Was wollten Sie von Peruzzi? Er ist heute im Krankenhaus, zum ekg .«
»Das habe ich auch gehört. Ich wollte ihn wegen des Schuhs befragen, den wir gefunden haben. Er gehört einer Frau, die wir noch identifizieren müssen. Wenn Sie davon noch nichts gelesen oder gehört haben, kann ich es Ihnen rasch zusammenfassen.«
»Ich interessiere mich nur für die Politik. Und eines kann ich Ihnen versprechen, die nächsten Wahlen –«
»Ja. Ich weiß, wie engagiert Sie da sind. Aber ich muß mehr über Peruzzi wissen.« Und das letzte, was er brauchen konnte, war Lapo, der sich endlos über die Politik im allgemeinen und die Wahlen im besonderen ausließ. »Er hat einen Lehrling …«
»Issino? Das ist ein guter Junge. Ein wahrer Schatz. Ein bißchen seltsam, bis man sich an seine Art gewöhnt hat, Sie wissen schon, wie diese Japaner sind.«
»Vorsicht!«
»Was ist?«
»Bisher habe ich in meinem Büro noch keinen einzigen japanischen Touristen gesehen, der den Verlust seiner Kamera oder einen Taschendiebstahl angezeigt hat. Es gab mal eine Messerstecherei zwischen einem japanischen Journalisten und einer Bande Zigeunerkinder. Haben ihm einfach das Messer ins Bein gejagt, in der Nähe vom Bahnhof. Aber wir haben das nur per Zufall erfahren, weil er sich die Wunde selbst verbunden und sich dann in den Zug zum Flughafen gesetzt hat, um nach Japan zu fliegen. Am Flughafen ist er ohnmächtig geworden, und einer meiner Männer hat ihm die Geschichte aus der Nase gezogen. Aber wir konnten ihn nicht davon abhalten, das Flugzeug zu besteigen.«
»Das kann man ihm nicht übelnehmen.«
»Nein, wirklich nicht. Ich wollte damit nur sagen, daß ich nie mit ihnen zu tun habe, weil sie immer so aufmerksam und vorsichtig sind. Dieser junge Mann, wie war noch sein Name?«
»Issino. Zumindest nennen wir ihn so, sein richtiger Name ist Issaye oder so ähnlich. Schwierig auszusprechen für uns Italiener. Ich glaube, ich kriege es noch immer nicht richtig hin.«
»Issino … er schien mir irgendwie … weiß nicht. Nicht gerade ein gesprächiger Typ.«
»Issino? Nein! – Santini! Der Maresciallo fragt nach unserem Issino und findet, er sei nicht sonderlich gesprächig.«
Santini legte das Brot zur Seite, mit dem er die Sauce auftunkte, und lachte laut. »Lassen Sie sich von Issino mal den von Petrus und der Prostituierten erzählen. Nur das Ende, das müssen Sie schon selbst übernehmen.«
»Sonia! Hühnchen für den Maresciallo und grünen Salat. Grüner Salat ist doch in Ordnung, oder? Grüner Salat und noch ein Viertel von dem Roten. Issino lernt Italienisch und übt, Witze zu erzählen. Er findet, das zeigt erst, wie gut man die fremde Sprache wirklich beherrscht. Sie sollten ihn dabei sehen. Er kämpft und kämpft sich durch die Geschichte, wir sagen ihm die Verben vor, und dann, wenn die Pointe kommt, der einzige Satz, den er wirklich auswendig kann, bricht er in schallendes Gelächter aus und kann gar nicht mehr aufhören.«
»Dann kommt er zum Essen hierher?« Der Maresciallo warf einen Blick über die niedrige Hecke hinüber zu der Werkstatt, aber er konnte zwischen den ausgestellten Schuhen und der zur Hälfte geschlossenen Gardine nichts erkennen.
»Einmal in der Woche. An den anderen Tagen kommt er regelmäßig auf eine Tasse Kaffee und einen kleinen Schwatz herüber, den er seine
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