Eine Jungfrau Zu Viel
»Das sagt er auch.«
Ich spürte, dass ich aus ihr nicht viel mehr rauskriegen würde, also ließ ich mich von ihr in den Innenhof führen, wo Gaia gespielt hatte.
XXXV
Als wir herauskamen, flatterten an die zwanzig Spatzen auf, was darauf schließen ließ, dass sich vor uns hier niemand aufgehalten hatte.
Wir befanden uns in einem innen gelegenen Peristylgarten mit schlanken Säulen an vier Seiten, die schattige Kolonnaden bildeten. Wasserkanäle vermittelten ein Gefühl der Kühle. Auf Grund des Lageplans wusste ich, dass ich das Haus per Zufall durch eine unbedeutendere Tür betreten hatte, einer von drei Eingängen (zwei Türen und eine kurze Treppe), die von verschiedenen Straßen ins Haus führten. Wie ich bei einem Haus dieser Qualität erwartet hatte, bewohnt von Menschen, die sich überlegen fühlten, nahm das Grundstück seine eigene insula ein.
Der Haupteingang wurde momentan wegen der Bauarbeiten nicht benützt. Die Mörtelträger bauten ihn nicht um, hatten aber die kleinen Räume zu beiden Seiten der Tür mit ihren Werkzeugen und Materialien voll gestellt und den Korridor davor total mit ihren Leitern und Gerüsten blockiert. Es wunderte mich, dass Numentinus das zuließ. Das zeigte einmal mehr, dass die Macht des Baugewerbes alles übersteigt, was organisierte Religion sich je hat ausdenken können. Einst war er der Vertreter Jupiters gewesen, aber jetzt konnten ein paar einfache Bauarbeiter ihn nach ihrer Pfeife tanzen lassen, ohne sich vor seinen verbalen Donnerschlägen zu fürchten.
Wäre der Haupteingang in Gebrauch gewesen, hätte man von der Tür aus einen hübschen Blick gehabt, direkt durch das Atrium auf das Grün in diesem Garten – und jeder Besucher hätte sofort gewusst, über welch ausgezeichneten Geschmack und welchen ausgezeichneten Geldsegen (oder welchen Schuldenberg) die Besitzer verfügten.
Der Peristylgarten war konventionell angelegt. Die äußeren Säulen bestanden aus grauem Stein, in zartem, spiralförmigem Muster behauen. Innen standen in Obeliskenform beschnittene Buchsbäume und leere Statuensockel, errichtet für Familienbüsten, wie mir gesagt wurde. Eine runde Hecke in der Mitte umgab ein blau ausgekleidetes Becken ohne Wasser, in dem ein metallener Meeresgott mit struppigem Seetanghaar lag, gedacht als Springbrunnenfigur, wegen der Entleerung jetzt aber verstummt. Für eine Möchtegernvestalin bot dieses leere Becken wenig Entfaltungsmöglichkeiten.
»Wo sind die Bauarbeiter?«, fragte ich Athene. »Sie scheinen es mit dem Fertigwerden nicht eilig zu haben. Heißen die Kerle zufällig Gloccus und Cotta?«
»Wie? Ihnen wurde befohlen, heute nicht zu arbeiten, weil Sie erwartet wurden.«
»Wie dumm. Sie hätten mir bei der Suche helfen können. Bauarbeiter machen gern bei allem mit, was nicht in ihrem Vertrag steht. Waren sie gestern Morgen hier?«
»Ja.«
»Hat jemand daran gedacht, sie zu fragen, ob sie was gesehen haben?«
»Das hat der Pomonalis gemacht.« Jemand hatte also Initiative gezeigt. Er stand als Nächster auf meiner Liste.
»Haben sie was gesehen?«
»Nein«, erwiderte das Kindermädchen mit etwas unstetem Blick, wie ich fand. Gute Götter, hatte sie etwa ein Auge auf die Kerle geworfen?
Ich ging hinaus in den Garten. Er zeigte Anzeichen von Vernachlässigung, aber auch von vor kurzem erfolgter Notbehandlung. Die beschnittenen Bäume waren an manchen Stellen kahl, wo man ihre Auswüchse zu stark geschoren hatte. Die Wege waren teilweise ausgebessert worden. Eine niedrige durchbrochene Mauer war hier und da neu zementiert, und man sah noch, wo Efeu abgerissen worden war. Mir fiel ein, dass dem Flamen Dialis der Anblick von Efeu verboten ist. Dämlicher alter Mann; er hätte sich doch jetzt an dem rankenden Grün erfreuen können. Andererseits hatten die Pflanzen dem Mauerwerk Schaden zugefügt, also hatte das Verbot vielleicht doch einen gewissen Sinn.
Ein Gärtner, dem offenbar an seiner Arbeit gelegen war, hatte Blumen gepflanzt. Levkojen und Verbenen erfüllten die Luft mit ihrem süßen Geruch. Statuenhafte Akanthus- und Lorbeersträucher gaben dem Garten einen formelleren Anstrich. Auch sah ich frisch mit Farn und Veilchen bepflanzte tropfende Töpfe.
»Wo kommt das Wasser her?« Das Kindermädchen schien wenig Ahnung zu haben. Weil ich keine Zeit verschwenden wolle, reimte ich es mir selbst zusammen. »Vom Dach in die langen Behälter …« Während des Sommers würde das nicht reichen. Ich stocherte um das Becken und
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