Eine Jungfrau Zu Viel
was ich ihm jetzt voller Wonne zurückzahlte. »Denn wenn du wirklich weiterkommen willst, müssen du und ich uns fein machen und zum Haus des Meisters der Arvalbrüder spazieren – jetzt, Aulus!«
Heute war der letzte Tag der Feierlichkeiten und damit Aelianus’ letzte Chance. Mein jugendlicher Lehrling hatte akzeptiert, dass seine Mission unter Zeitdruck stand. Er hatte begriffen, dass wir, wenn wir den aalglatten Verwalter eines Kultes festnageln wollten, der etwas zu verbergen hatte, all unseren Verstand und unsere Energie brauchten – und dass wir rasch handeln mussten. Seine Tagesarbeit hatte gerade erst begonnen.
»Männerspiele«, sagte ich entschuldigend zu Helena.
»Jungs!«, kommentierte sie. »Seid vorsichtig, ihr beiden.«
Ich küsste sie. Nach kurzem Zögern zeigte ihr Bruder, dass er allmählich etwas lernte, und zwang sich, dasselbe zu tun.
Aelianus wusste, wo das Haus des Meisters war. Man hatte ihn am ersten Tag des Festes als Beobachter dorthin eingeladen. Eine klotzige Villa, wie man sie gerne am Meer hatte, auf einem eigenen Grundstück in der Nähe der Via Tusculana. Jede Menge Steindelfine verliehen ihr das salzige Ambiente und sahen freundlich und bescheiden aus, obwohl im Stadtzentrum Roms die offenen Balkone an allen Flügeln etwas putzig wirkten. An der Bucht von Neapolis hätten die Besitzer von den holzverkleideten Balkonen aus angeln können, aber ihre Sehnsucht nach längst vergangenen Augustferien war hier fehl am Platz. Niemand angelt in den Gossen von Rom. Na ja, zumindest nicht, wenn sie wie ich wissen, was in der Wasserversorgung der Stadt so alles herumschwimmt.
Als wir ankamen, war an dem Strom der Sänften zu erkennen, dass sich die Elite des Kollegiums gerade für das abendliche Festmahl versammelte. Ein erregtes Summen war zu hören. Ich fragte mich, ob diese Männer mit den Kornkränzen sich besonders aufgeregt begrüßten, weil sie von dem Toten am Vorabend wussten.
Doch ein Mann verließ die Villa. Groß, hager, ältlich, überheblich wie der Hades. Augen, die niemanden ansahen. Fliegendes weißes Haar um einen kahlen Schädel.
Er war oben an der Treppe stehen geblieben, als würde er darauf warten, dass ein Diener ihm den Weg frei machte. Als Aelianus sportlich die Stufen hinaufsprang, streifte sein Umhang kurz den alten Mann, der zurückzuckte, als hätte ihn ein lepröser Bettler berührt. Aelianus spürte, dass es sich um einen Patrizier handelte, der eine Stimme bei den Senatswahlen haben mochte, und entschuldigte sich kurz. Die einzige Antwort war ein ungeduldiges Schnauben.
Der Mann kam mir vage bekannt vor. Vielleicht bekleidete er ein Ehrenamt, oder ich hatte ihn auf den guten Plätzen im Theater gesehen. Jupiter mochte wissen, wer das war.
Wir marschierten dreist zum Haupteingang. Ich fand den Haushofmeister. Unser Verhalten hatte ihn davor gewarnt, dass wir Ärger machen könnten, aber wir erwiesen uns als ruhig genug, ihn umzustimmen. »Ich bitte um Entschuldigung. Die Sache ist sehr dringend. Bevor das Festmahl beginnt, müssen wir den Meister in einer vertraulichen Angelegenheit sprechen. Didius Falco und Camillus Aelianus. Es betrifft einen unglückseligen Vorfall vom gestrigen Abend.«
Der Haushofmeister war verbindlich, ausdruckslos – und wusste zweifellos über den Skandal im Hain Bescheid. Zum Erstaunen meines Begleiters wurden wir sofort eingelassen.
Das war ein schlechtes Zeichen. Der Meister schien die Sache geschickt angehen zu wollen.
Zuerst trafen wir nicht den Meister selbst, sondern seinen Vize – einen nervös blinzelnden Mann mit Warzen, von dem ich, wäre er ein Bürgerlicher gewesen statt eines Patriziers mit ellenlangem Stammbaum, niemals einen frischen Fisch gekauft hätte, weil zu befürchten war, dass man davon Magenschmerzen bekam. Bei ihm war der Vize-Flamen des Kollegiums, ein bleiches Käsegesicht mit tropfender Nase, der die Hauptquelle für die römische Erkältungswelle dieses Monats sein musste. Diese beiden Stellvertreter begrüßten uns nervös, erklärten, wer sie seien, und murmelten eine Menge darüber, dass sie die heutigen Rituale im Tempel abhalten müssten, weil der Meister und der Flamen weggerufen worden seien. Weitere Peinlichkeiten wurden ihnen durch das Auftauchen ihrer Vorgesetzten in Reisekleidung erspart.
Ich nahm respektvoll Habtachtstellung an. Auf diesen Wink hin tat Helenas Bruder dasselbe.
»Camillus Aelianus!« Der Meister wusch seine Hände in einer ihm von einem Sklaven
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