Eine Jungfrau Zu Viel
kleines Mädchen ausgewählt worden, der Königin einen Kranz aus Rosen zu überreichen, was bedeutete, dass das kleine Gör den halben Nachmittag auf dem Seidenschoß von Berenike gehätschelt wurde, während Constantia, die Vestalin, daneben saß. Diejenigen von uns, die in weniger privilegierten Umständen leben, wurden von einer plötzlichen mysteriösen Eingebung erfasst, welcher Name auftauchen wird, wenn der Pontifex die Pfote in die Lotterieurne steckt.«
»Könnte der Name zufällig Gaia Laelia lauten?«, fragte Helena. Maia verdrehte die Augen. »Gute Götter, Schätzchen! Ich bin immer wieder erstaunt, wie ihr, du und mein Bruder, es schafft, den neuesten Klatsch und Tratsch zu erfahren. Ihr seid erst seit drei Tagen wieder in der Stadt, und ihr wisst alles!«
»Wir haben einfach ein Talent dafür.«
»Um ehrlich zu sein, wir kennen die reizende, selbstsichere, nette kleine Patrizierin Gaia«, sagte ich.
»Durch ihre Familie?«, fragte Maia, an Helena gewandt.
»Eine meiner Klientinnen«, erwiderte ich ruhig. Maia und Petro lachten schallend. »Sie scheint die ideale Besetzung für eine Vestalin zu sein. Ihre Verwandten sind alle darauf spezialisiert, Priesterposten innezuhaben. Sie ist im Haus des Flamen Dialis aufgewachsen.«
»Ja, ja, das weiß ich alles schon. Das Kind ist perfekt für diese Rolle!«, schnauzte Maia sauer. »Also, ich will ja nicht unhöflich sein, Marcus, aber wozu braucht sie dich?«
»Das, muss ich zugeben, ist ein Rätsel. Hat sie mit Cloelia geredet?«
»Allerdings. Mir mag es ja an der Geschicklichkeit für einen sozialen Aufstieg fehlen, aber mein seltsames ehrgeiziges Mädel freundet sich hemmungslos mit den richtigen Leuten an.«
»Cloelia kann nicht dein Kind sein«, sagte Helena. »Famia muss sie unter einem Torbogen gefunden haben. Erzähl uns von Gaia Laelia. Wirkte sie glücklich darüber, von Berenike und der Vestalin bevorzugt zu werden?«
Maia überlegte. »Meistens ja. Sie war eine der Jüngsten, und ich hatte das Gefühl, dass sie sich nach der langen Zeit in der königlichen Umarmung offenbar zu langweilen begann – jedenfalls entstand eine kurze Unruhe. Das wurde aber rasch behoben, und nur wenige haben es mitgekriegt.«
»Was für eine Unruhe?«, fragte ich.
»Woher soll ich das wissen? Anscheinend hat sie was Peinliches gesagt, wie Kinder das so machen. Berenike sah erschrocken aus. Gaia wurde vom Schoß der Königin gehoben, ihre Mutter packte sie – wahrscheinlich wäre sie am liebsten im Erdboden versunken –, und man konnte sehen, dass alle Umstehenden lachten und so taten, als wäre nichts passiert. Als ich Gaia dann wiedersah, spielte sie mit meiner Cloelia, und die beiden warfen mir Blicke zu, die besagten, dass sie von niemandem gestört werden wollten.«
»Sie spielten miteinander?«, hakte Helena nach.
»Ja, sie beschäftigten sich über eine Stunde damit, imaginäre Wasserkrüge von einem der Brunnen zu holen.«
»Was hieltest du von Gaia?«
»Zu wohl erzogen. Zu freundlich. Zu hübsch und verwöhnt. Sag’s nicht. Ich weiß, dass ich nur eine ungehobelte Nörglerin bin.«
»Und dafür lieben wir dich«, versicherte ich meiner Schwester zärtlich. Dann erzählte ich, wie Gaia zu mir gekommen war und was sie über ihre Familie gesagt hatte. »Ich weiß nicht, was das alles bedeuten soll, aber sie hat mich um Hilfe gebeten. Und wie fandest du Gaias Mutter? Wenn jemand aus der Familie Gaia was antun will, könnte es die Mutter sein?«
»Das bezweifle ich«, erwiderte Maia. »Sie ist viel zu stolz auf ihre Kleine.«
»Wir haben nur einen Onkel kennen gelernt«, warf Helena ein. »Wirkt die Mutter unterdrückt?«
»Nach außen hin nicht, zumindest, wenn sie sich in weiblicher Gesellschaft befindet.«
»Aber zu Hause, wer weiß? … Hat Cloelia Gaia erzählt, dass ihr Onkel Privatermittler ist?«
»Keine Ahnung. Könnte schon sein.«
»Und du weißt wahrscheinlich auch nicht, ob Gaia Cloelia etwas über ihre Familie erzählt hat?«
»Helena, wenn Julia älter ist, wirst du eines begreifen. Ich«, sagte Maia, »war nur die Begleitperson, die meiner Tochter ermöglichte, sich unter höherrangige Menschen zu mischen und davon zu träumen, selbst in absurdem Maße wichtig zu sein. Ich habe eine Sänfte gemietet, die uns zum Palatin brachte. Ich habe Verlegenheit hervorgerufen, weil ich ein zu auffälliges Kleid trug und ziemlich laut Witze über den Empfang machte. Davon abgesehen, war ich völlig überflüssig. Mir wurde nicht
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