Eine Jungfrau Zu Viel
würde!«, murmelte Maia, die jetzt verärgert klang.
Sie war nun bereit, uns die ganze Geschichte zu erzählen.
»Mein wunderbarer Mann war der Ansicht, wenn Plebejer tatsächlich wählbar sind, wäre die Ehre, eine Vestalin zu werden, genau das Richtige für unsere älteste Tochter. Er hat sich nicht mit mir abgesprochen, weil er wahrscheinlich wusste, was ich sagen würde.« Es galt in der Tat als Ehre und brachte dem Mädchen während ihrer dreißigjährigen Amtszeit enormen Respekt ein, aber Maia war nicht die Art Mutter, die ihr junges, ungeformtes Kind der Kontrolle einer Institution übergab. In ihrer Familie wurde Rom und dessen Tradition respektiert, was aber nicht hieß, so etwas Verrücktes zu tun, wie sein Leben dem Staat zu widmen. »Also blieb mir nichts anderes übrig, als vorzugeben, es auch für eine tolle Idee zu halten. Cloelia ist ständig überreizt, und die anderen drei sind insgeheim eifersüchtig, weil sie so viel Aufmerksamkeit bekommt, Mama ist wütend, Famia ist nicht mal im Lande, um mir zu helfen, damit fertig zu werden …«
Sie verstummte. Petronius meinte boshaft: »Ich weiß, wir können annehmen, dass die kleinen Herzchen Jungfrauen sind, wenn der Pontifex sie auswählt, aber woher will man denn wissen, dass die hübschen Dinger keusch bleiben? Werden sie etwa jede Woche rituell überprüft?«
»Lucius Petronius«, fauchte Helena, »hast du heute Nachmittag keine Arbeit zu erledigen?«
Petro stützte grinsend seinen Ellbogen auf den Tisch. »Helena Justina, über Jungfrauen zu reden ist viel spannender.«
»Du überraschst mich. Aber wir reden über mögliche Jungfrauen – was nicht dasselbe ist.«
»Eine Jungfrau zu viel, im Fall von Maias Cloelia!« Er war entschlossen, heute Ärger zu machen. Mir war das egal, aber ich sah voraus, dass Helena es mir anlasten würde.
»Erzähl uns von der knackigen Berenike«, warf ich ein. »Die ist keine Jungfrau, so viel ist sicher.«
»Na ja«, meinte Maia, »sie ist wirklich sehr schön – wenn man diesen Stil mag.« Sie verriet uns nicht, welcher Stil das war, und diesmal hielten sowohl Petronius als auch ich den Mund. »Wenn ich ein exotisches Gesicht und eine Legion von Friseuren hätte, würde es mich auch nicht kümmern, dass mein Ruf etwas anrüchig ist.«
»Wäre er nicht«, versicherte ich ihr. »Berenike hat diesen Ruf, weil sie einen ihrer Onkel geheiratet hat. Du würdest dich doch nie für Onkel Fabius oder Junius entscheiden.«
Die beiden Brüder meiner Mutter waren Bauerntölpel mit notorisch merkwürdigen Gewohnheiten, und genau wie ich hatte Maia nichts für ihre Verschrobenheit übrig. »Tja, wenn der Onkel der Königin genauso verrückt war wie unsere, sollten wir vielleicht Mitleid haben«, sagte sie. »Wie dem auch sei, der Grund für meinen Besuch im Palast war, dass all die kleinen reizenden Geschöpfe, deren Namen sich in der Urne für die Vestalinnen-Lotterie befinden werden, und all wir leidenden Mütter zu einem Empfang für Titus Cäsars Freundin eingeladen waren. Das Ganze lief unter dem Vorwand, der weiblichen Bevölkerung Roms Gelegenheit zu geben, die liebliche Dame in unserer Mitte willkommen zu heißen. Aber ich könnte mir vorstellen, dass so was Ähnliches vor jeder Lotterie arrangiert wird, damit man die kleinen Mädchen inspizieren und die unpassenden aussortieren kann.«
»Natürlich ist es blasphemisch, so etwas zu sagen.« Helena lächelte.
»Dann wasch mir den Mund aus!«, hauchte Maia. »Aber es war ganz eindeutig eine Vestalin anwesend.«
»Mit strengem Blick?«
»Nicht allzu streng. Es war eine der jüngeren, Constantia.« Maia hielt inne, aber falls sie sich eine Beleidigung überlegte, sprach sie sie nicht aus. »Wenn noch jemand wetten will, ich hatte die Sache schnell durchschaut – das Resultat war so verdammt eindeutig, dass wir anderen auch gleich hätten heimgehen können. Wir versammelten uns alle um die angegebene Zeit, und sofort bildeten sich Gruppen entsprechend unserer Gesellschaftsschicht. Alle Mütter wurden der hinreißenden Königlichen Hoheit vorgestellt – ja, Marcus und Petro, ihr würdet sie als hinreißend bezeichnen, obwohl ich sie etwas kalt fand …«
»Nervös.« Helena gab vor, die Königin zu verteidigen. »Hat vermutlich Angst, rausgedrängt zu werden.«
»Man fragt sich, wieso! Wie zufällig«, schnaubte Maia, »wurde sie schließlich auf ihrem Podium von Patriziermüttern umringt, während wir anderen unter uns blieben. Gleichzeitig war ein
Weitere Kostenlose Bücher