Eine Jungfrau Zu Viel
Senator. Wenn ich die Sache übernehme, muss ich Zugang zum Haus der Laelii haben und die Erlaubnis erhalten, die Familie zu befragen.«
Rutilius stöhnte. »Ich habe darauf hingewiesen, dass Sie das verlangen würden.«
Ich sah ihn unverwandt an. »Sie würden dasselbe verlangen.«
Er schwieg. »Rutilius, Sie würden nicht mit mir darüber reden, wenn Sie Ihre Kollegen – einschließlich des Kaisers – nicht davon überzeugt hätten, dass es so gemacht werden muss.«
Es dauerte einen Moment, bis er erwiderte: »Der Kaiser hat sich von hier aus zu Laelius Numentinus begeben, um ihm mitzuteilen, dass er Ihnen Zugang gewähren muss.«
»Gut.« Ich entspannte mich. Ich hatte mit unannehmbaren Bedingungen gerechnet. Da ich an der Sache selbst interessiert war, hätte ich den Auftrag wahrscheinlich trotzdem angenommen. »Ich fordere nichts Ungehöriges. Sie wissen, warum ich das verlangen muss. Wir werden das Kind vermutlich irgendwo zu Hause finden. Dazu muss ich eine gründliche Suchaktion durchführen, die zugegebenermaßen aufdringlich sein wird. Das muss sein. Als Erstes werde ich die Körbe mit schmutziger Wäsche durchsuchen, und wenn Gaias Verschwinden kein Zufall ist, hat es höchstwahrscheinlich häusliche Gründe. Es ist lebenswichtig, die gesamte Familie zu befragen.«
»Das ist von allen akzeptiert worden.«
»Ich werde, wie Sie sagen, diskret sein.«
»Danke, Falco.«
Wir hatten uns zu einem der Ausgänge des Hofes in Bewegung gesetzt und gingen auf den schon älteren quadratischen Bogen des Fabius Maximus über der Kreuzung der Via Sacra zu.
»Warum«, fragte ich offen heraus, »müssen wir mit dieser Familie so vorsichtig umgehen? Das liegt doch wohl nicht nur an ihrem Status?«
Rutilius überlegte und zuckte dann die Schultern. Ich hatte das Gefühl, dass er mehr wusste, als er sagen wollte. Er deutete nach rechts. »Haben Sie die jetzige Adresse der Laelii? Bevor Numentinus Flamen Dialis wurde und in die offizielle Residenz zog, hat seine Familie hier unten gewohnt, wissen Sie – in einer der Prachtvillen, die von Neros großem Feuer zerstört wurden.«
»Jupiter! An der Via Sacra, der besten Adresse in Rom? Ich weiß, wo sie jetzt wohnen, danke schön. Auf dem Aventin. Ein annehmbares Haus, aber wohl kaum zu vergleichen.«
»Sie waren einst eine prominente Familie«, erinnerte mich Rutilius.
»Offensichtlich. Dieses Viertel wurde von berühmten Republikanern bevorzugt – Clodius Pulcher, Cicero. Und gab es da nicht das berüchtigte Haus, das einem gewissen Scaurus gehörte, mit diesen teuren rotschwarzen Marmorsäulen, die sich bis zum Marcellustheater hochzogen? Mein Vater handelt mit Spezialitäten und spricht immer wieder von dem Rekordpreis, den das Haus erzielt hat – fünfzehn Millionen Sesterzen! Gaia Laelias Vater hat Scaurus als Cognomen, ist das von Bedeutung?«
Wieder zuckte Rutilius die Schultern. Seine noblen Schultern hatten heute viel zu tun. »Es mag durchaus eine frühere Verbindung geben. Zweifellos ist es ein Familienname.«
Meine Augen zogen sich zusammen. »Haben die jetzigen Laelii Geld?«
»Sie werden schon über einiges verfügen.«
»Darf ich sie dazu befragen?«
»Nur, wenn es in einem direkten Zusammenhang steht. Die Laelii können natürlich die Antwort verweigern«, warnte mich Rutilius. »Bitte denken Sie daran, dass Sie heute nicht wegen Steuerhinterziehung ermitteln.«
Das wäre mir lieber gewesen. Jeder anständige Betrüger war einer verschlagenen und heuchlerischen so genannten Säule des öffentlichen Lebens weitaus vorzuziehen. »Eine Sache noch, Senator. Zeit spielt eine wichtige Rolle. Ich brauche Unterstützung. Ich würde gerne meinen Freund und Expartner Petronius Longus hinzuziehen.«
»Das dachte ich mir schon«, gestand Rutilius. »Tut mir Leid, das ist unmöglich. Der Kaiser hat entschieden, dass wir die Vigiles nicht in direkten Kontakt mit der Familie bringen sollen. Den Kohorten ist befohlen worden, die Stadt nach dem Kind abzusuchen, aber der alte Flamen besteht absolut darauf, dass die großen Jungs nicht in seinem Haus auftauchen. Vergessen Sie nicht, Falco, dass Numentinus für einen Großteil seines Lebens dazu verpflichtet war, bewaffnete Männer nicht mal anzuschauen oder zugegen zu sein, wenn jemand in Ketten gelegt wurde. Selbst sein Ring musste aus zerbrochenem Metall hergestellt werden. Er kann sich nicht ändern. Das Zubehör von Recht und Gesetz beleidigt ihn nach wie vor. Die Situation ist folgende: Er weigert sich,
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