Eine Katze hinter den Kulissen
einem Kunden derart
bloßstellst, dann bringe ich dich um! Hast du mich
verstanden?«
Tony sah mich völlig entgeistert an.
»Du brauchst jetzt nicht diese ›Wer,
ich?‹- Masche abzuziehen, Basillio! Was sollte diese ganze
schwachsinnige Kunstkenner-Show? Hast du nicht gemerkt, daß
Brodsky dich für einen Idioten gehalten hat? Und ist dir nicht
klar, daß so ein Benehmen auf mich zurückfällt?
Daß es mich lächerlich macht?« Ich spürte, wie
mir die Tränen in die Augen stiegen und versuchte ärgerlich,
sie herunterzuschlucken.
Tonys schaute zerknirscht drein. »Es tut mir leid, Schwedenmädel.«
»Mir auch«, bellte ich. »Es tut mir
leid, daß du Probleme hast und ich das nicht eher bemerkt habe.
Aber ich habe eine Kundin, eine sehr alte Freundin, die ebenfalls
Probleme hat. Lucia wird ins Gefängnis kommen, wenn wir nichts
unternehmen, Tony. Ins Gefängnis!«
»Ja, ich verstehe«, sagte er.
»Ja, Tony? Hast du das wirklich verstanden?«
»Ja«, sagte er und wurde jetzt selbst
wütend. Dann fügte er, wieder ruhiger, hinzu: »Ich habe
doch gerade gesagt, daß ich das verstehe.«
»Also, traust du dir zu, das hier mit mir bis
zum Ende durchzustehen? Denn wenn du schlappmachst, Tony, dann ... dann
...«, sagte ich hoffnungslos, »dann weiß ich auch
nicht.«
Er nahm mich bei den Schultern. »Schon gut,
Schwedenmädel, ist ja gut. Ich werde die Pflichten des
weißen Ritters erfüllen, wie immer. Du wirst schon
sehen.«
Ich wurde langsam wieder ruhiger.
»Und es tut mir wirklich leid, daß ich
mich bei - wie heißt er noch - diesem Claude-Rains-Typ
danebenbenommen habe.«
»Dieser herablassende alte Knacker«, brummte ich.
Wir einigten uns darauf, daß wir beim Kaffee
darüber reden würden: über alle Sorgen oder
Dämonen, die Tony im Moment zu schaffen machten. Aber das taten
wir nicht. Wir sprachen über den Fall.
14
Ich hatte Basillio für den frühen Morgen
einige Aufträge erteilt. Danach sollte er mich bei mir zu Hause
abholen. Es war kurz vor zehn, also war er schon vierzig Minuten zu
spät. Ich versuchte, die aufsteigende Panik, die bereits unter
meiner Haut kribbelte, so gut es ging zu ignorieren, stand am Fenster
und blätterte in diesem komischen Skript. Endlich klingelte es.
»Entschuldige die Verspätung«, sagte
er, als er hereinkam. »Aber es ist nicht meine Schuld. In der
Bank hat es ziemlich lange gedauert, und als ich in diesen Laden in der
Twenty-third Street kam, waren die Fotos noch nicht fertig.«
Er legte zwei braune Umschläge auf meinen Eßtisch und blies in seine kalkweißen Hände.
»Warum hast du eigentlich keine Handschuhe an, Basillio?«
»Ich trage niemals Handschuhe. Sie vermindern das Tastvermögen. «
»Was betastest du denn auf der Straße?«
Er zuckte die Schultern.
Ich knöpfte seinen Mantel auf und löste den
Schal um seinen Hals. »Überhitz dich bloß nicht, alter
Junge.«
Ich nahm den größeren der beiden
Umschläge und öffnete ihn. Es sollten
fünfunddreißig Zehn-Dollar-Scheine drin sein, von dem
Spesenkonto, das Frank Brodsky eingerichtet hatte. Ich wog das
Geldscheinbündel in der Hand, als ob ich allein vom Gewicht her
sagen könnte, daß die Summe stimmte. Es schien zu stimmen,
glaubte ich.
Dann schaute ich in den anderen Umschlag. Darin waren
Reproduktionen fünf verschiedener Fotos von Peter Dobrynin aus
Zeitungen und Zeitschriften, im Brieftaschenformat. Es waren
ausschließlich späte Fotos von Dobrynin, und das war gut.
Aber leider waren auf keinem davon die Gesichtszüge so klar und
deutlich zu erkennen wie auf dem Porträt, das ich in Betty Ann
Ellenvilles Apartment gesehen hatte. Aber wie hätte das auch gehen
sollen?
»Möchtest du Kaffee, Tony?«
»Ich möchte alles mögliche. Aber im Moment wäre ein Kaffee nicht schlecht.«
Ich ging in die Küche und kam mit einer Tasse Instantkaffee zurück.
»Ich bin gleich fertig«, sagte ich.
»Ich muß mir nur noch Socken und ein paar Pullover anziehen
- nein, ein Paar Socken und ... ach, du weißt schon, was ich
meine.«
Ich ging ins Schlafzimmer, um mich warm einzupacken.
Es würde ein langer, windiger Spaziergang in unwirtlicher Umgebung
werden. Als ich wieder ins Wohnzimmer kam, saß Tony verkehrt
herum auf einem Stuhl und fixierte Bushy.
Wie jeden Tag aalte sich der Kater in einem
Lichtkreis in der Nähe des Fensters, wo jeden Morgen ein kleiner,
aber kräftiger Sonnenstrahl hineinfiel. Er lag nicht lange da,
aber bevor er wieder verschwand, glitzerte er wie ein Diamant.
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