Eine Katze hinter den Kulissen
Bushys
glänzendes Fell leuchtete im Sonnenlicht, seine Augen waren halb
geschlossen, sein Körper ruhig und erwartungsvoll. Er sah aus wie
ein König, der einem Maler für das offizielle
Herrscherporträt sitzt.
»Was machst du da?« fragte ich Tony freundlich. »Bewunderst du den großartigen Mr. Bushy?«
Er schnaubte verächtlich. Dann verzog er das
Gesicht und fing an, mit einem breiten, mitteleuropäischen Akzent
zu sprechen. Wieder einmal beehrte er uns mit seiner mehr als
mittelmäßigen Peter-Lorre-Imitation.
»Ihr Kater mag ja sehr schön sein, Madam,
aber ... hähä ..., ich entlarve ihn als Verräter und
Angeber ... hähä ... Für Sie mag er ein unschuldiger
Main-Coon sein. Aber wir wissen, daß er ein Hochstapler und
Betrüger ist. Denn er kann nicht mal eine Maus oder einen Vogel
fangen. Und deshalb muß er für seine Verbrechen
büßen ... Ich muß ihn töten ... hä! Ich will
ihn töten.« Dann humpelte er aus der Wohnungstür, und
ich folgte ihm.
Ich wußte, daß Bushy alles verstanden hatte, aber er hatte nicht mit der Wimper gezuckt.
Wir hatten beschlossen, an der Ecke Forty-third
Street und Ninth Avenue anzufangen und die Avenue bis zum Roosevelt
Hospital in nördliche Richtung zu gehen, dann nach Osten bis zum
Broadway, den Broadway hinauf bis zur Seventy-second Street und dann
diese Straße nach Westen bis zum Riverside Park.
Auf dieser Route hofften wir, möglichst vielen
von den Obdachlosen zu begegnen, die im Schatten des Lincoln-Komplexes
leben und die Dobrynin vielleicht gekannt hatten.
Zu Anfang hatten wir keinen Erfolg, weil es einfach
viel zu viele Obdachlose gab: in den Unterführungen, hinter den
Gittern der Vorgärten, in den Eingängen zu den Banken, wo die
Geldautomaten standen, überall, wo diese Menschen der Kälte
entfliehen konnten. Dazu kam, daß wir uns zunächst nicht
dazu überwinden konnten, mit ihnen Kontakt aufzunehmen, und zwar
wegen ihrer Kleidung, ihres Verhaltens und oft auch wegen ihres
Geruchs. Als ausgesprochen hinderlich erwies sich auch die Tatsache,
daß wir leider absolut keine Erfahrung darin hatten, zwischen
denen zu unterscheiden, die einfach nur heruntergekommen, und denen,
die geistesgestört waren, denn wir wollten ihnen ja
schließlich die Fotos zeigen und eine vernünftige Antwort
bekommen.
Aber im Grunde war das alles unerheblich. Niemand
wollte den Typ auf den Fotos kennen. Und egal, wie wir auch versuchten,
mit ihrem abweisenden Verhalten umzugehen, am Ende hatten wir jede
Menge der Zehn-Dollar-Scheine aus reiner Mildtätigkeit verteilt -
eine ziemlich schlechte Strategie.
In einem kleinen Stehcafé auf der
Fifty-seventh Street tranken wir einen Kaffee, gingen einen weiteren
Block in Richtung Roosevelt Hospital und wollten gerade zum Broadway
und zum Columbus Circle abbiegen, als Tony einen neuen Kandidaten
entdeckte. Der Mann zog eine Art Leiterwagen, der offenbar selbstgebaut
und sehr groß war, beladen mit all seinen Habseligkeiten und
allem möglichen Abfall: Zeitungen, zerfetzte Sofakissen,
Bücher und Lumpen, alles mit einem Strick auf dem
merkwürdigen Gefährt festgebunden.
Der Mann kam aus nördlicher Richtung, vielleicht wollte er in den kleinen öffentlichen Park an der Ninth Avenue.
»Ich glaube, der könnte was sein«, spöttelte Tony. »Komm, wir zeigen ihm den guten Jungen.«
Als wir näher herankamen, konnten wir sehen, wie
merkwürdig er gekleidet war. Er trug einen riesigen schwarzen Hut
mit ein paar schmierigen Federn daran und ein speckiges Wildlederhemd
mit langen, verdreckten Fransen. Er sah aus wie ein
Büffeljäger, der gerade aus einem hundertjährigen Schlaf
erwacht ist. Sein angegrauter Schnauzbart unterstrich diesen Eindruck
noch.
Tony ging auf den Mann zu und sprach ihn höflich
an. »Entschuldigen Sie, könnte ich kurz mit Ihnen
sprechen?«
Buffalo Bill blieb stehen, ließ die Stange
seines Leiterwagens auf das Pflaster sinken und sah Tony mit offenem,
wenn nicht leerem Blick an. »Ja, zum Teufel«, antwortete
er. »Red nur, Kumpel.«
»Haben Sie diesen Mann schon einmal gesehen?« Tony hielt ihm drei der Fotos hin, aufgefächert wie Spielkarten.
Der Büffeljäger kniff die Augen zusammen und starrte auf die Fotos.
»Sag mal, Partner, hast du vielleicht was zu rauchen, während ich mir das hier ansehe?«
Basillio zündete eine Zigarette an und gab sie
ihm. Der Penner stürzte sich förmlich darauf und stieß
riesige Rauchwolken aus.
Er sah die Fotos an, und zwar mehrere Minuten lang.
Ich dachte schon,
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