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Eine Katze hinter den Kulissen

Titel: Eine Katze hinter den Kulissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Adamson
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Und das würde für Lucia Maury das
Schlimmste bedeuten.
    Das Kissen in meinem Schoß war bestickt. Ich
ließ meine Handfläche über das erhabene Muster gleiten.
Mir kamen so viele Fragen in den Sinn. Sicher, die Penner-Theorie war
verlockend und in gewisser Hinsicht auch einleuchtend.
Schließlich kommt es immer wieder vor, daß ein Obdachloser
einen anderen tötet. Gewalt gehört zu diesem Milieu. Aber wie
viele Penner wären wohl so vorausschauend, sich der Waffe auf
derartige Weise zu entledigen? Und selbst wenn, warum ausgerechnet
unter Lucias Schreibtisch? Dieser »Penner« mußte
gewußt haben, daß Lucia und Dobrynin in der Vergangenheit
eine Affäre gehabt hatten. Ich konnte mir ja noch vorstellen, wie
sich zwei Obdachlose an einer eisigen Straßenecke eine Flasche
teilen, aber nicht, daß sie biographische Details über
Liebesabenteuer aus besseren Zeiten austauschen.
    Belle lugte um die Ecke. Ich winkte sie heran. Sie
sprang auf den Beistelltisch und setzte sich auf eine Fotostudie von
Leni Rieffenstahl, die einen Massai darstellte. Beim Anblick dieses
reizenden, fast schwanzlosen Katzenkörpers mußte ich
lächeln. Irgendwann hatte ich mal etwas über die Zahl der
Wirbel im Schwanz einer durchschnittlichen Katze gelesen. Ich fragte
mich, wie viele in Belles verstümmeltem Schwanz wohl fehlten.
    Sie sprang auf meinen Schoß. »Dir fehlen
bestimmt zwanzig oder fünfundzwanzig Wirbel,
Schätzchen«, neckte ich sie. »Geh dein Herz
aufessen.«
    Sie stupste mit der Pfote gegen meine rechte Schulter. Es war nur ein Spiel, ihre Krallen waren eingezogen.
    Dieser Angriff einer weißen Pfote war
völlig harmlos, aber aus irgendeinem Grund fiel mir der
schreckliche Anblick der Leiche Peter Dobrynins wieder ein. Und in
Sekundenbruchteilen wußte ich auch, warum. Weiße, nackte
Füße. Saubere weiße Füße am Ende langer,
ausgestreckter Beine, gut sichtbar für alle auf dem hell
erleuchteten Balkon.
    Ich spürte einen Adrenalinstoß.
    Viele Obdachlose tragen auch im Winter keine Schuhe.
    Aber diese Füße waren sauber.
    Das ließ nur eine Schlußfolgerung zu: Dobrynin war mit Schuhen ins Staatstheater gekommen.
    Der Mörder hatte sie ihm ausgezogen.
    Eine Flasche Fusel war ein ziemlich blödes Motiv für einen Mord. War ein Paar Schuhe etwa besser?
    Oder gab es eine viel kompliziertere Erklärung?
    Noch wußte ich keine Antworten. Aber das Adrenalin, das durch meine Adern strömte, war ein sehr gutes Zeichen.
    Ich suchte meine Sachen zusammen und nahm die Katze
hoch, als sie gerade nicht aufpaßte, um sie zu küssen. Aber
sie wollte nicht. »Belle, meine Schöne«, sagte ich,
»vielleicht gibt es bald Kaviar für dich.«
    13
    Das kleine rote Lämpchen blinkte. Es war nur ein Anruf auf dem Band. Aber der reichte.
    »Der Bericht der ballistischen Untersuchung ist eingetroffen.«
    Es war Frank Brodskys weiche, wohlklingende Stimme.
    »Die Kugel, die Mr. Dobrynin am Weihnachtsabend
tödlich getroffen hat, stammt aus der Waffe, die in Lucias
Büro unter den Schreibtisch geklebt war. Eine halbautomatische
Pistole tschechischer Produktion, Kaliber 25.«
    Der Anwalt hatte so ruhig gesprochen, wie der Mann
von der Wettervorhersage im Fernsehen, wenn er leichte Bewölkung
mit heiteren Abschnitten ankündigt.
    Ich spürte eine leichte Übelkeit in der
Magengegend. Ich blickte Tony, der mit mir in Brodskys Kanzlei gehinkt
war, unglücklich an. Aber Tony schien sich viel mehr für die
beeindruckende Sammlung von Gemälden der Hudson-River-Schule zu
interessieren als für ballistische Berichte.
    »Ich habe jetzt keine Zweifel mehr daran,
daß die Staatsanwaltschaft Anklage erheben wird«,
verkündete Brodsky. »Und unter den gegebenen Umständen
wird sie auf Mord lauten.«
    »Was für Umstände?« fragte ich,
etwas zu aggressiv, fast als ob der Anwalt und ich nicht auf derselben
Seite stünden. Dann versuchte ich, meine scharfe Bemerkung zu
relativieren: »Immerhin sagt Lucia, daß die Waffe nicht ihr
gehört. Sie besitzt überhaupt keine Pistole.«
    Er fuhr fort, jetzt in noch gemäßigterem Tonfall. »Ah, aber die Waffe - die Mordwaffe - wurde in ihrem Büro gefunden, und zwar versteckt, wird
die Staatsanwaltschaft sagen. Und natürlich war da auch diese -
wie soll ich sagen -, diese dumme Geschichte zwischen den beiden. Die
Staatsanwaltschaft wird vor Gericht darauf aufbauen, daß Lucia
und der Tänzer vor ein paar Jahren eine Affäre hatten. Und
daß diese unglücklich geendet hat. Sie werden zu beweisen
suchen, daß Lucia

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