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Eine Katze kommt selten allein

Eine Katze kommt selten allein

Titel: Eine Katze kommt selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Adamson
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gehört?« fragte ich.
    »Oh, Gott, nein. Das sind berühmte Rennpferde. Das hier ist Lord Kelvin . Und diese Stute hier heißt Ask Me No Questions . Beide haben in vielen großen Zuchtrennen gesiegt. Mona hatte diese Pferde eine Zeitlang hier in Obhut. Das eine hatte sich den Vorderlauf verstaucht. Das andere hatte… habe ich vergessen. Meine Tante hat sie jedenfalls gesund gepflegt. Als die beiden wieder an den Start gingen, haben sie ein Rennen nach dem anderen gewonnen.«
    Plötzlich stieß er zornig die Hände in die Taschen und drehte sich um, als wäre die Preisgabe dieser Erinnerungen ein Verbrechen gewesen. »Aber wenn ich mich recht entsinne, hatte ich Ihnen schon mal erzählt, daß meine Tante eine Vorliebe für verletzte Menschen und Tiere hatte«, fuhr er fort. »Sobald es ihnen besser ging, hat Mona sich kaum mehr für sie interessiert.«
    Er war jetzt sehr nahe an mich herangekommen, und wieder stieg Angst in mir auf. Ich hörte, wie jemand die Treppe heraufkam. Dann machte der Unbekannte kehrt, und seine Schritte wurden leiser, als er die Treppe hinunterstieg.
    »Ich muß zurück zu Jo«, sagte ich.
    »Dann gehen Sie«, erwiderte er mit bitterer Stimme, als hätte ich ihn irgendwie verraten. Ich huschte an ihm vorbei und flitzte die Treppe hinunter.
    Als ich Jo durch das ganze Haus begleitet hatte, war ich völlig erschöpft. Ich bereute schon, überhaupt hierher gekommen zu sein, auch wenn ich wußte, daß Jo meine Reise als Wiederherstellung unserer Freundschaft betrachtete. Doch als sie mich fragte, ob ich sie noch zur Starobin-Farm begleiten wolle, lehnte ich höflich ab und bat sie, mich zum Bahnhof der Long Island Rail Road zu bringen. Widerwillig fuhr sie mich dorthin.
    Als der Zug aus dem Bahnhof von Hicksville rollte, nahm ich eine Taschenbuchausgabe von Romeo und Julia aus der Handtasche und gab mir selbst das Versprechen, die Eisenbahnfahrt dazu zu nutzen, endlich einmal gründlich über Carla Frieds Angebot nachzudenken, die Rolle der Wärterin zu spielen. Aber ich kam nur bis zum ersten Akt, zweite Szene; dann fielen mir die Augen zu. Ich döste ein, wachte auf und döste wieder ein.
    Als der Zug langsamer wurde und ein Schild mit der Aufschrift ›Jamaica‹ am Fenster vorüberglitt, schreckte ich hoch und blickte mich verzweifelt um. Es war natürlich Jamaica, New York; aber ich wußte nicht, ob ich umsteigen mußte. Doch der Schaffner versicherte mir, daß der Zug bis nach Manhattan durchfahre. Erleichtert ließ ich mich in die Polster zurücksinken. Als ich mich entspannte, erinnerte ich mich plötzlich, daß ich von den beiden Pferden geträumt hatte, deren Bilder in Monas Schlafzimmer hingen.
    Wie waren ihre Namen gewesen? Ich griff in die Manteltasche und nahm die Auktionsliste heraus, die mir der Mann mit dem schwarzen Hut beim Betreten des Hauses gegeben hatte. Ich suchte die Gemälde heraus, die zum Verkauf standen. Aha, da waren die zwei Pferdebilder – viertausendsiebenhundert Dollar das Stück! Lord Kelvin und Ask Me No Questions .
    Was für seltsame Namen manche Rennpferden hatten! Ich war im Begriff, die Liste zusammenzuknüllen und wegzuwerfen, als ich mich an den hellen, rechteckigen Fleck erinnerte, den ich neben den Gemälden an der Wand des Schlafzimmers entdeckt hatte und der darauf hindeutete, daß dort ein drittes Bild gehangen hatte.
    Neugierig schaute ich mir den nächsten Eintrag auf der Liste an. Über dem Namen befand sich ein Stempel-Aufdruck: VERKAUFT.
    Es hatte tatsächlich ein drittes Pferdegemälde existiert. Ein Gemälde von Cup of Tea .

13
     
    Am Mittag des nächsten Tages rief Charlie Coombs an. Es sei eine gute Woche für ihn gewesen, sagte er. Seine Pferden siegten. Er wolle früh zu mir kommen und mich zu einem opulenten Abendessen ausführen. Ich schlug ihm ein indisches Restaurant in der Nähe meiner Wohnung vor. Charlie sagte, er habe noch nie im Leben indische Speisen gegessen, aber für mich würde er alles tun.
    Er kam gegen sechzehn Uhr zu mir. Wir saßen eine Zeitlang beisammen und unterhielten uns; dann spielten wir mit den Katzen; dann schliefen wir miteinander, und dann gingen wir essen.
    Es war eines von den kleinen indischen Restaurants an der Lexington Avenue. Von außen war es unscheinbar, doch das Innere war ein verrücktes Wirrwarr aus Farben: schwarze Kerzen, rosa Tischdecken, Teller mit kunterbunten Blumenmustern. Charlie studierte sorgfältig, beinahe schon ängstlich die Speisekarte, doch offensichtlich war er gar nicht

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