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Eine Katze kommt selten allein

Eine Katze kommt selten allein

Titel: Eine Katze kommt selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Adamson
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ganz genau hin; dann lehnte sie sich zurück. »Alice«, sagte sie seufzend, »dieses Foto wurde schätzungsweise 1981 oder 1982 aufgenommen.«
    »Na und?«
    »Tja, Veronica ist jetzt ungefähr drei Jahre alt. Sie wurde 1985 geboren. Ich kann mich noch daran erinnern. Sie war ein ausgesprochen kleines Exemplar.«
    Ich war wegen der Entdeckung des Fotos so aufgeregt gewesen, daß ich gar nicht an Veronicas Alter gedacht hatte.
    »Es könnte Veronicas Mutter sein«, fuhr Jo fort. »Sie war auch eine Calico, wenn ich mich recht entsinne. Aber wie soll das Tier nach Maryland gekommen sein? Die Katzen haben niemals unseren Stall verlassen. Und Ginger hat lange Zeit, bevor sie zu uns nach Long Island kam, in Maryland gearbeitet. Nein, Alice, das ist eine andere Calico. Und selbst, wenn die Katze auf dem Foto Veronicas Mutter wäre – was hilft uns das?«
    Ich schüttelte zornig den Kopf. Meine bemerkenswerte Entdeckung, daß Ginger und eine Calico-Katze auf ein und demselben Foto zu sehen waren, hatte mich dermaßen in den Bann geschlagen, daß ich gar nicht damit gerechnet hatte, jemand könnte diese Beobachtung mit einem Achselzucken abtun. In den letzten beiden Tagen hatte ich alle Fakten zusammengetragen und mir einen Reim darauf zu machen versucht. Ginger war die Trainingsreiterin eines sehr berühmten Pferdes gewesen. Und dann dieser seltsame Absturz: Aus Ginger wurde ein unbedeutendes Stallmädchen, das für einen Hungerlohn auf einer Farm arbeitete, die praktisch gar nicht mehr existierte. War das nicht sehr eigenartig? Tja, aber jetzt sah es ganz so aus, als wären alle meine Bemühungen ein Schuß in den Ofen gewesen.
    Jo streckte die Hand aus, strich sanft über meinen Arm und sagte: »Es ist nichts weiter als ein Foto von einem Pferd und seinem Stallkameraden, bei dem es sich zufällig um eine Calico handelt. Alle Pferde haben kleinere Tiere als Stallkameraden, Alice. Diese Tiere leben mit dem Pferd zusammen; sie spielen gemeinsam, sie reisen gemeinsam. Und sie hängen sehr aneinander! Manchmal kommt es vor, daß ein Pferd vor Kummer verrückt wird oder sich einfach hinlegt und stirbt, wenn sein Stallkamerad getötet wird oder davonläuft. Meistens sind Hunde oder Katzen diese Freunde und Spielgefährten. Aber Rennpferde haben auch Ziegen, Tauben, Kanarienvögel, Schildkröten – und Gott allein weiß, was sonst noch – als Stallkameraden. Ich hatte mal ein Kutschpferd mit Namen Sam. Sam trat keinen Schritt aus seinem Stall, wenn er nicht von seinem Freund begleitet wurde, einer schwarzen Katze mit drei Beinen, die mit Sam im Stall lebte.«
    Die Kellnerin brachte uns Kaffee, stellte das Stück Kuchen zwischen uns auf den Tisch und legte zwei funkelnde Gabeln daneben. Jo reichte mir das Foto zurück, und ich ließ es in meiner Handtasche verschwinden.
    »Es ist schön, daß du bei mir bist, Alice«, sagte Jo.
    Ich lächelte und nickte, um ihr zu zeigen, daß dieses Gefühl auf Gegenseitigkeit beruhte. In diesem Moment entdeckte ich ein seltsames Funkeln in Jos Augen, und ich fragte mich, ob sie von meiner Affäre mit Charlie Coombs wußte. Wahrscheinlich. Aber Jo war zu diskret, dieses Thema anzuschneiden, sofern ich es nicht selbst tat.
    »Hör mal, Alice, kannst du morgen nach Long Island kommen?«
    »Warum?«
    »Monas Möbel werden versteigert. Und ihre Gemälde, ihre alten Sachen… einfach alles. Mona hatte ein sehr schönes Haus.«
    Der plötzliche Themenwechsel traf mich völlig unvorbereitet, und zuerst erwiderte ich nichts.
    »Bitte, mach die kurze Reise, Alice. Das Haus wird dir gefallen. Und ich möchte nicht allein dorthin gehen. Außerdem wäre es in Monas Sinn gewesen, wenn ich dafür sorge, daß bestimmte Sachen nicht in die falschen Hände geraten. Wir könnten ein bißchen von Harrys Geld ausgeben und dafür sorgen, daß ein paar von den schönen alten Stücken ein neues Zuhause finden. Bitte, komm. Ich hole dich zur gewohnten Zeit am Bahnhof in Hicksville ab.«
    »Also gut«, sagte ich, denn Jos Begeisterung hatte mich angesteckt. Außerdem wollte ich unsere alte Freundschaft wieder aufblühen lassen, auch ohne die zweihundert Dollar am Tag von Jo zu kassieren.
    Eine Zeitlang spielten wir schweigend mit den Kaffeetassen. Dann fragte ich Jo: »Hat die Polizei schon etwas Neues herausgefunden?«
    »Nichts. Immer wenn sie ich frage, bekomme ich zur Antwort, daß die Nachforschungen noch im Gange sind. Ich wollte wissen, was für Nachforschungen das sind. Da haben die Polizisten mir gesagt, daß

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