Eine Katze kommt selten allein
davon.
»Moment«, rief ich.
»Möchten Sie mir etwas sagen?« fragte er.
»Ja. Ich möchte Ihnen sagen, daß Sie nicht mehr alle Tassen im Schrank haben, falls Sie der Meinung sind, Harry Starobin und Mona Aspen wurden von Dieben ermordet, die auf der Suche nach Tafelsilber waren.«
Er zwinkerte mir zu, als wäre ich eine mitleiderregende Verrückte; dann schlenderte er davon.
Es dauerte ein paar Minuten, bis mein Zorn sich gelegt hatte. Aber dann handelte ich so, wie Jo es mir aufgetragen hatte: Ich suchte und fand einen langen Flur, der in einen Salon und von dort aus zu einer Treppe führte. Als ich hinaufstieg, rechnete ich damit, auf einen feuchtkalten, dunklen Dachboden zu gelangen. Statt dessen tat sich plötzlich ein großes, lichtüberflutetes Schlafzimmer vor mir auf.
Der Anblick nahm mir den Atem. Für einen Moment sehnte ich mich danach, auf dem Lande zu leben und in einem solchen Haus zu wohnen, in einem solchen Zimmer zu schlafen. Ich stellte mir vor, wie Bushy und Pancho stundenlang aus den vielen Fenstern blickten und glückselig die Eichhörnchen und Vögel beobachteten, die sich praktisch vor ihren Nasen auf den Ästen und Zweigen der Bäume tummelten.
Dann begann ich mit der Durchsuchung des Zimmers. Die Möbel waren alt und schlicht – Eiche und Kirschbaum. Das Himmelbett war winzig und zerbrechlich und wurde von zwei fadenscheinigen, verblichenen Tagesdecken geziert. Eine davon besaß ein Sonnenblumenmuster.
An der längsten Wand hingen zwei Ölgemälde nebeneinander. Auf beiden waren Pferde zu sehen. Zwischen den Fenstern an der kürzeren Wand hingen alte, wasserfleckige Kupferstiche, die Vögel zeigten; darunter war ein wunderschöner Stich eines Eistauchers in dunklem, mattem Lila und Schwarz. Wie in sämtlichen anderen Zimmern von Monas Haus waren auch hier an allen Gegenständen kleine gelbe Zettel mit Auktionsnummern befestigt.
»Phantastisch, nicht wahr?«
Die Stimme kam aus Richtung der Treppe.
Ich fuhr herum. Monas Neffe, Nicholas Hill, stand in der Tür. Sein plötzliches Erscheinen jagte mir Angst ein. Für einen Augenblick mußte ich an den Mann mit dem gefiederten Hut denken, den ich auf der Fifth Avenue gesehen hatte. War es doch Nick Hill gewesen? Diesmal trug er keinen gefiederten Hut. Er war ganz normal gekleidet; allenfalls die sehr altmodische Krawatte, auf die eine Art Abzeichen gestickt war, fiel aus dem Rahmen.
Ich kämpfte meine Furcht nieder. Warum sollte ich Angst vor dem Kerl haben? Wie kam ich eigentlich auf den Gedanken, daß er mir etwas antun wollte? Hielt ich ihn für den Fahrer des roten Lieferwagens, der Jo und mich beinahe ins Jenseits befördert hatte? Jo hatte Nicholas Hill als ›besessenen Spieler‹ bezeichnet – aber das mußte ja nicht gleich bedeuteten, daß er seine Tante ermordet hatte, um an ihr Geld zu kommen. Ich konnte mich erinnern, wie gramgebeugt er nach Monas Ermordung gewesen war. Ich mußte daran denken, wie er und Jo sich in ihrer gemeinsamen Trauer umarmt hatten.
Nick Hill kam ins Schlafzimmer und trat an eines der Fenster. Angesichts seiner langsamen, bedächtigen Bewegungen blieb ich wachsam. Für einen Moment erwischte ich mich dabei, wie ich seinen Körperbau abschätzte und mir die Frage stellte, ob er stark genug war, Leichen an Kleiderhaken zu hängen. Aber nein, das war Unsinn.
Falls Nick Hill aber doch jener Mann gewesen war, der mich auf der Fifth Avenue beobachtet hatte, dann war er jetzt vielleicht ins Schlafzimmer gekommen, um eine bestimmte Sache zu Ende zu bringen…
Seine Hände kamen mir auf einmal noch größer und kräftiger vor als damals, als ich ihn in der Scheune beim Reinigen der Schaufel beobachtet hatte.
»Gefallen sie Ihnen?« fragte er und zeigte auf die beiden Ölgemälde mit den Pferdemotiven.
Ich schaute mir die Bilder noch einmal an. Jetzt erst fiel mir auf, daß neben dem linken Bild ein rechteckiger Fleck an der Wand zu sehen war, heller als die Tapete und genauso groß wie die beiden Gemälde. Offenbar hatte dort ein drittes Bild gehangen. War es schon versteigert worden?
»Ja, sie gefallen mir. Aber ich bezweifle, daß ich mir eins leisten kann«, erwiderte ich. »Nicht mal einen der vergilbten Kupferstiche dort drüben.«
Nicholas nickte und trat näher an die Gemälde heran. »Meine Tante hat diese Bilder geliebt. Sie sind von Becker. Er hat die Pferde hier bei uns gemalt, als sie auf der großen Weide hinter dem zweiten Stall gegrast haben.«
»Haben die Pferde Ihrer Tante
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