Eine Kerze für Sarah - und andere Geschichten, die das Herz berühren
werden mit geöffneten Armen auf mich zukommen. Was für ein fröhliches Wiedersehen! Und dieses Mal wird es keinen Abschied mehr geben.
Edie Postill Cole
Frühstück mit den Eisbären
Ich ging noch zur Uni, als mein Sohn in die Vorschule kam. Ich bekam zwar mehr Hausaufgaben auf als er, aber die Ausflüge machten wir gemeinsam. Ich begleitete ihn mit seiner Klasse zur Feuerwehr und auf die Farm und er begleitete mich mit meiner Klasse zur Fossilienjagd und bei Ausflügen auf die verschiedensten Gletscher. Während eines Wintersemesters musste ich einmal auf eigene Faust für eines meiner Biologieseminare den Zoo besuchen. Ich schob diesen Besuch zwei Wochen lang vor mir her, weil ich auf den Altweibersommer warten wollte und mich erst auf unseren neuen Stundenplan einstellen musste. Schließlich wurde mir klar, dass sich das Semester dem Ende näherte und ich diese Aufgabe noch immer nicht erledigt hatte. Also legte ich einen Tag für den Zoobesuch fest. Natürlich begleitete mich mein Sohn dabei.
Es war kein typischer Zoobesuch. Bei dem kalten Herbstwetter waren wenige Besucher gekommen, abgesehen von meinem Sohn und mir. Sogar die Tiere schienen sich verzogen zu haben. Der Himmel war wolkenverhangen und der Regen stach wie Eisnadeln in meine Haut. Feuchte Windböen wirbelten die heruntergefallenen Blätter, Papiertüten, Bonbonpapierchen und Erdnussschalen durcheinander. Im Reptilienhaus brannten nur wenige unheimliche Lichter. Wir gingen weiter. Die Brunnen waren trocken, die Gartenbeete ohne Blumenpracht, die Wege leer. Enten kauerten sich an der windgeschützten Seite des Sees zusammen, die Köpfe unter ihre Flügel gesteckt. Kleine Wellen leckten am Strand und der Wind drückte unsere Mäntel an unsere Körper.
Unsere Schritte auf dem geteerten Weg störten die Gazellen beim Grasen. Eine Herde schmaler Köpfe, Ohren und Hörner posierte wie eine Ballettgruppe auf Zehenspitzen, als wir an ihnen vorbeigingen. In der Ferne hörten wir das Trompeten eines Elefanten. Die ockergelben Augen des Löwen folgten uns; sein Schwanz klopfte einmal auf den Boden. Die Oberfläche des Nilpferdbeckens kräuselte sich und der massige Kopf des Tieres tauchte auf. Es blinzelte einmal. Die Giraffe neigte den Kopf und starrte uns ernst an.
Bei den Eisbären blieben wir stehen. Sie marschierten mit bedächtigen Schritten in ihrem Gehege umher. Ihr Gang war komisch, als hätten sie O-Beine. Ihre Tatzen sahen aus wie die von übergroßen Welpen mit gebogenen schwarzen Krallen. Mit hoch erhobener Schnauze schnüffelten sie in die Luft, schüttelten ihre zu kleinen kugelförmigen Köpfe und schnaubten. Für sie war der Geruch von Schnee genauso tröstlich wie ein Sonnenbad für eine Hauskatze.
Der Pfleger kam in abgetragenen Gummistiefeln und mit zwei roten Eimern um die Ecke gebogen. Als sie ihn erblickten, sprangen die Bären mit einem lauten Platsch ins Wasser und vor Nässe tropfend kletterten sie wieder heraus.
Der Pfleger kam nun zu meinem Sohn und mir.
„Guten Morgen“, sagten wir und ich fragte ihn, was in den Eimern sei.
„Makrelen und Wassermelone.“
„Fressen das die Bären zum Frühstück?“, fragte mein Sohn.
„Ja“, erwiderte der Pfleger. Dann beugte er sich zu ihm herunter und fragte: „Möchtest du mir gern beim Füttern der Bären helfen?“
„Klasse! Darf ich, Mama?“
Und das taten wir auch. Wir warfen dunkle Stücke Fisch und gesprenkelte Melonenschale in das Gehege.
Doch viel zu bald schon war es Zeit zu gehen. Mein Sohn war müde, deshalb trug ich ihn, die Kapuze über die Ohren gezogen und sein Gesicht an meine Schulter gedrückt. Ich lächelte in mich hinein, während ich daran dachte, wie oft ein „Muss“ in meinem Leben zu einem „Durfte“ geworden war: Ich musste in den Zoo gehen – ich durfte den Tag mit meinem Sohn verbringen und sogar die Eisbären füttern. Das Richtige zu tun, trägt seinen Lohn in sich. Ich konnte mich an die vielen Male erinnern, als sich mir etwas ganz Neues eröffnet hatte, wenn ich einer Verpflichtung nachkam oder ein Versprechen hielt, auch wenn es mir schwerfiel: eine Beziehung, eine neue Fertigkeit, ein unvergesslicher Augenblick. Und selbst an diesem kalten und windigen Novembertag wusste ich, dass die Erinnerung an unser einfaches, unerwartetes Erlebnis – das Frühstück mit den Eisbären – uns tief in unserem Innern erwärmen würde, wann immer wir daran dachten.
Allison Harms
Prägung fürs Leben
Mütter, vergesst nie, wie bleibend der
Weitere Kostenlose Bücher