Eine Kerze für Sarah - und andere Geschichten, die das Herz berühren
und legte mir eine Hand auf die Schulter. Dann deutete er zu einem Busch am Rand der Auffahrt. Ein Vogelnest – und zum tausendsten Mal hörte ich mir an, was für eine Plage die Stare für die Farmer seien und wie laut die Eichelhäher an einem Sommermorgen kreischen.
Drei Tage später verabschiedete ich mich bei einem Beerdigungsgottesdienst von meinem Großvater, indem ich ihm ein neues Wörterbuch zusammen mit seiner abgegriffenen Bibel in die Hände legte, die so viele Geschichten erzählen konnten. Und in der Bibel lagen drei gepresste Weinblätter.
Später stand ich am Rand von Großvaters Weinberg. Tränen stiegen mir in die Augen und liefen mir die Wangen hinunter. Ich fühlte mich innerlich so leer. Diese starken, warmen Hände hatten den Halt für dieses Leben verloren, aber sie umklammerten umso stärker das nächste. Die Leere in mir begann sich zu erwärmen, während ich zusah, wie mir eine Handvoll fruchtbarer Erde zwischen den Fingern hindurchrann. Ich hielt die Erde an mein Gesicht und sog tief den Duft der Heimat ein. Großvater hatte nie woanders sein wollen und in meinem Herzen weiß ich, dass er nie irgendwo anders sein wird als zu Hause.
Casandra Lindell
Großmutters Lachen
Veilchen und Rosen werden in meinen Augen immer weiche, fröhliche Blumen sein, weil sie die Lieblingsblumen meiner Großmutter waren – und meine Großmutter hat viel gelacht.
Kleine Töpfchen mit Veilchen standen stets auf dem Tisch im Wohnzimmer. Sie mussten gewusst haben, dass sie sie liebte, weil sie beständig blühten. Ich sehe sie noch vor mir, wie sie vorsichtig welke Blätter abzupfte und lächelnd die braun gewordenen Blüten abpflückte. Genauso verhielt sie sich auch den Menschen gegenüber. Sie lächelte, ermutigte und kümmerte sich umsichtig um sie.
Ihr Garten war mit Rosen eingefasst und Großmutter pflegte sie sorgfältig mit demselben Lächeln in ihrem Gesicht. Den ganzen Frühling und Sommer über schnitt Großvater ganze Arme voll Rosen für das Haus. Überall standen Rosensträuße in Glasvasen und jeder Besucher konnte damit rechnen, einen Strauß Rosen aus dem Garten mit nach Hause zu nehmen.
Aber die Besucher bekamen nicht nur Rosen – sie nahmen auch Großmutters Lachen mit nach Hause. Sie musste lachen, wenn sie sich verirrt hatte und auf der Suche nach einer Adresse im Kreis fuhr. Sie lächelte herzlich, wenn sie das Abendessen auf den Tisch stellte. Sie lachte fröhlich, wenn sie mich im Arm hielt und ich ihr eine Geschichte erzählte. Sie kicherte, wenn Kolibris vor dem Esszimmerfenster herumflatterten.
Einmal ließ Großmutter eine Glasflasche voller Ahornsirup im Supermarkt fallen. Sie lächelte daraufhin und sagte, sie sei so schrecklich ungeschickt. Als sie sich dann umdrehte und jemanden rufen wollte, der die Scherben zusammenfegte, trat sie aus Versehen in den Sirup, rutschte aus und brach sich das Handgelenk. Während sie dort auf dem Rücken lag, auf ihren nicht gebrochenen Arm gestützt, um nicht in den Glasscherben liegen zu müssen, begann Großmutter zu lachen. Sie lachte, während die Angestellten ihr aufhalfen. Sie lachte, während sie auf den Krankenwagen wartete, und sie lachte wieder, als sie die Geschichte Jahre später erzählte.
Als sie starb, wollte sich mein fünfjähriger Neffe von ihr verabschieden und er verstand nicht richtig, was der Tod bedeutete. Meine Schwester erklärte es ihm so gut sie konnte. Sie sagte, er könnte nun nicht mehr auf Großmamas Schoß sitzen und sie würde ihm keine Geschichten mehr erzählen. Tommy malte daraufhin ein Bild und sein Vater half ihm, „Ich werde dich vermissen, Oma. Es ist in Ordnung zu weinen“ darunter zu schreiben.
„Mami?“ Seine großen Augen blickten sie fragend an. „Ich werde sie nicht mehr lachen hören, nicht?“
Genau wie Tommy dachte auch ich, ich würde Großmutters Lachen am meisten vermissen.
Bis zu einem Tag vier Monate später. Ich saß an Großmutters Esszimmertisch und bemalte eine Vase, während ich darauf wartete, dass Großvater nach Hause kam. Als das Telefon läutete und ich danach greifen wollte, blieb ich mit dem Ärmel an der Dose mit der schwarzen Farbe hängen und zog sie vom Tisch. Sie landete mit der Öffnung nach unten auf dem Teppich.
„Das ist in Ordnung“, hörte ich mich sagen. „Mach es sauber so gut du kannst. Es ist ein alter Teppich.“ Und dann begann ich zu lachen. Ich lachte über meine Ungeschicklichkeit und über die schwarze Farbe, die sich trotz meiner
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