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Eine Kiste explodierender Mangos

Eine Kiste explodierender Mangos

Titel: Eine Kiste explodierender Mangos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mohammed Hanif
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Wohnbereich verließ, salutierten die beiden Soldaten an der Tür und wollten ihm folgen. Er befahl ihnen, auf ihrem Posten zu bleiben. „Ich will mir nur etwas Bewegung verschaffen.“
    Dann hüllte er sich fest in den Shawl, nur Augen und Stirn ließ er unbedeckt. Er stieg auf das Fahrrad und begann zu treten. Die ersten paar Meter schwankte er ein wenig, aber dann fand er das richtige Gleichgewicht und fuhr, langsam in die Pedale tretend, am Straßenrand entlang.
    Als er sich dem Haupttor näherte, begann er, an seinem Entschluss zu zweifeln. Vielleicht sollte er lieber umkehren. Vielleicht Brigadier TM informieren, damit er ein paar von seinen Männern in Zivil schickte, die ihm folgten. Dann sah er Brigadier TMs in eine Flagge gehüllten Sarg vor sich, und das Fahrrad geriet wieder ins Schwanken. General Zia war noch immer unentschlossen, als er bei den Wachposten des Army House ankam und das Tor sich öffnete. Er bremste, sah nach rechts und nach links, in der Hoffnung, jemand würde ihn erkennen und fragen, was zum Teufel er vorhabe. Während er sich hastig nach einer geeigneten Ausrede das Gehirn zermarterte, rief aus der Wache eine Stimme.
    â€žNa, Alter, hast wohl keine Lust, nach Hause zu fahren? Schiss vor deiner Frau?“ General Zia warf einen Blick auf das Wachhaus, sah aber niemanden. Energisch trat er in die Pedale. Das Tor schloss sich hinter ihm. Die Erkenntnis, dass seine Verkleidung funktionierte, verlieh ihm neuen Mut. Seine Zweifel schwanden, er hob den Hintern vom Sitz und strampelte kräftig, während seine Augen vor Rührung und Anstrengung feucht wurden. Er hielt an der roten Ampel auf der Kreuzung, die auf die Constitution Avenue führte, obwohl kein einziges Fahrzeug in Sicht war. Die Ampel blieb rot, machte keine Anstalten grün zu werden. Also schaute General Zia nach links und rechts und dann wieder nach links und bog in die Constitution Avenue ein.
    Die Straße war wie ausgestorben, kein Mensch, kein Fahrzeug. Ihre acht Spuren waren eigentlich nicht für den Verkehr gedacht, der selbst am Tag nur spärlich floss, sondern für die schwere Artillerie und die Panzer bei der Parade am Nationalfeiertag. Die breite Straße, noch feucht von einem nachmittäglichen Regenguss, glänzte gelblich im Schein der Straßenlaternen. Still und düster umragten die Berge die Stadt. General Zia fuhr langsam. Schon jetzt taten ihm von der ungewohnten Anstrengung die Beine weh. Zuerst fuhr er geradeaus am Straßenrand entlang, dann in der Mitte und schließlich im Zickzack. Jeder, der ihn von einem der Hügel beobachtete, würde ihn für einen alten Mann halten, der, in seinen Shawl gewickelt, auf seinem Fahrrad nach Hause schwankte. Wahrscheinlich war der Alte sehr erschöpft von seinem harten Arbeitstag im Army House.
    Als General Zia etwa einen Kilometer gefahren war, ohne jemandem zu begegnen, kam ihm ein seltsamer Gedanke: Was, wenn er ein Reich ohne Einwohner regierte? Ein Geisterland? Was, wenn dort draußen wirklich niemand war? Was, wenn die Statistiken der Volkszählung – 130 Millionen Gesamtbevölkerung, 52 Prozent Frauen, 48 Prozent Männer, 90 Prozent Muslime – nur das Werk übereifriger Beamter waren? Was, wenn alle ausgewandert waren und er ein Land regierte, in dem außer seinen Soldaten, seinen Beamten und seinen Leibwächtern keiner lebte? Er keuchte und fand es recht vergnüglich, welch sonderbare Verschwörungstheorien man als ein einfacher Bürger auf seinem Fahrrad hegen konnte.
    Plötzlich bewegte sich etwas in einem Gebüsch am Straßenrand und eine Stimme schrie: „He! Du da, Alter, komm her. Du fährst ohne Licht. Glaubst du, die Straße gehört deinem Vater? Gibt es in diesem Land nicht schon genug Gesetzlosigkeit?“
    Statt zu bremsen, stemmte General Zia die Absätze auf den Boden und kam holpernd zum Stehen. Ein Mann trat hinter dem Gebüsch hervor. Er war in einen alten braunen Shawl gewickelt, unter dem General Zia das Barett eines Polizisten erkannte.
    â€žAbsteigen. Wieso fährst du ohne Licht?“
    Der Wachtmeister hielt das Fahrrad an der Lenkstange fest, als bestünde Fluchtgefahr. General Zia stieg ab und stolperte, weil er so fest in den Shawl gewickelt war. In seinem Kopf rauschte es vor Aufregung über diese erste Begegnung mit einem seiner Untertanen, ohne dass Sicherheitsgeländer sie trennten oder Gewehre auf seinen

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