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Eine Kiste explodierender Mangos

Eine Kiste explodierender Mangos

Titel: Eine Kiste explodierender Mangos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mohammed Hanif
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offensichtlich bin ich schlechter dran. Selbst wenn ich aus der verdammten Schaumgummimatratze und ein paar Streichhölzern einen Drachen baue, fehlt mir jede Möglichkeit zum Absprung.
    In der Hoffnung auf Inspiration überfliege ich die letzten Seiten. In Wie das Leben so spielt steht eine fünfzeilige Anekdote über eine gewisse Sherry Sullivan, die mit einem Overall bekleidet ihr Auto wusch und von einem Nachbarn für ihren Mann gehalten wurde. Der Name löst etwas in mir aus, und plötzlich erheben sich meine Armeen. Ich meide das Loch in der Matratze. Diese Löcher sind wie Landstraßen-Huren, schmutzig und ausgeleiert.
    Meine Begegnung mit Sherry Sullivan endet in einem derart heftigen Ausbruch von Leidenschaft, dass ich die zweite Gold Leaf vergesse, in einen wonnigen Schlaf falle und in Technicolor träume, wie mir der 2. OIC die Stiefel putzt, der Kommandant meinen Säbel mit der Zungenspitze poliert und Anthony Rolts Drachen sicher auf dem Trafalgar Square landet.
    Der Morgen ist sogar noch herrlicher. Ich werde von einem Hauch Old Spice geweckt. Loot Bannon steht in der Tür. „Aufgewacht, lieber Insasse.“
    Es gibt ungefähr eintausendundfünfzig Fragen, die ich ihm stellen muss. Aber seine Stimmung ist zu aufgeräumt.
    â€žHübsche Matratze hast du da“, sagt er.
    â€žSie ist nicht so übel, wie sie aussieht“, sage ich. „Hast du schon einen neuen Kommandeur für den Silent Drill gefunden?“ Er übergeht meinen Versuch, sarkastisch zu sein. Ich stecke mir meine zweite Gold Leaf an.
    â€žWie ich sehe, ist dein Nachschub gesichert.“ Jetzt ist er an der Reihe, witzig zu sein.
    â€žHat Obaid dir was gesagt?“, frage ich. Die Sachlichkeit meiner Stimme überrascht mich selbst. Eine Gold Leaf auf nüchternen Magen verwandelt mich in einen abgehobenen Denker.
    Ich weiß, wie sie Obaid und mich hinter unserem Rücken nennen: Fort-Bragg-Schlampen.
    Nur weil wir mit Bannon befreundet sind. Obwohl Bannon bloß ein Ausbilder aus Fort Bragg ist – nur ein Leutnant –, steht er in der Nahrungskette der Akademie irgendwo zwischen einem Hai und einem Leoparden.
    â€žBaby O ist abgehauen“, sagt er, als wäre das eine verdammte Neuigkeit.
    Ich nehme einen langen letzten Zug von der Zigarette, inhaliere dabei den Rauch des schwelenden Filters und muss husten.
    â€žIch treffe El Comandante heute Nachmittag wegen meines Programms. Bis dahin müsste ich ein paar Spitzeninfos für dich haben.“ Er ist plötzlich der kühle Yankee.
    â€žUnd übrigens: Der Kommandant möchte, dass du deine Arbeit mit dem Silent-Drill-Team fortsetzt“, sagt er.
    Erleichtert beschließe ich, bei der Philosophie zu bleiben.
    â€žWeißt du, was Sunzi gesagt hat? Lerne zu warten, und du hast die Hälfte der Schlacht schon gewonnen.“
    â€žHat das alte Schlitzauge das wirklich gesagt?“
    â€žWenn er eine Nacht in dieser Zelle mit Reader’s Digest als Wichsvorlage verbracht hätte, wäre er ganz sicher zu diesem Schluss gelangt.“
    Als ich die Stufen vom Wachlokal hinuntergehe und die Welt betrachte, wie es nur ein Gefangener auf Bewährung kann, erkenne ich die Grenzen meiner Freiheit. Ein Militärpolizist in mittlerem Alter mit einem uralten Gewehr, einer Enfield 303, erwartet mich.
    â€žIch habe Befehl, Sie unter strikter Bewachung zu halten“, sagt er.
    Ich hätte damit rechnen können, dass sie mich nicht frei herumlaufen lassen würden. Die einzige Überraschung ist, dass Bannon praktischerweise vergessen hat, mir etwas davon zu sagen. Bannons Gedächtnis hat mehr Löcher als eine zu oft benutzte Short-Range-Zielscheibe.
    Mal sehen, wie schnell mein Aufpasser rennen kann.
    Es ist noch genug Zeit, um pünktlich auf dem Exerzierplatz zu sein. Ich könnte wahrscheinlich im Trauermarsch in meine Kaserne gehen, gemütlich ein Bad nehmen und immer noch rechtzeitig kommen, doch ich verspüre einen plötzlichen Energieschub und falle in Laufschritt. Mein Bewacher und seine 303 bemühen sich verzweifelt, mitzuhalten. Die Morgenbrise heißt mich willkommen und ich fliege dahin. Der Abstand zwischen mir und meinem Bewacher vergrößert sich. Eine Kompanie neuer Rekruten marschiert vorbei und salutiert in Lautstärke 5 mit der Begeisterung jener, die ein neues Leben beginnen. „Frisch ans Werk, Jungs. Euer Land braucht euch“, rufe ich

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