Eine Kiste explodierender Mangos
Bilder von ihrem Gatten. Sie selbst wurde selten erwähnt, und wenn, dann nur wegen ihrer Teilnahme an einem Kinderfest oder dem Koranrezitationswettbewerb für Frauen, zu denen General Zia sie entsandte, um die Regierung zu vertreten und Preise zu verteilen. Der Informationsminister schickte ihr die Ausschnitte, die sie meist vor ihrem Mann versteckte, weil er stets etwas an ihrer Erscheinung auszusetzen hatte. Wenn sie Make-up trug, beschuldigte er sie, westliche Frauen nachzuäffen. Trat sie ungeschminkt auf, mäkelte er, sie sehe eher wie der Tod als wie eine First Lady aus. Unentwegt predigte er ihr, dass sie als First Lady eines islamischen Staates ein Vorbild für andere Frauen sein müsse. âSchau dir an, was Mrs. CeauÈescu für ihr Land getan hat.â
Die First Lady hatte Mrs. CeauÈescu nie kennengelernt, und ihr Mann machte sich auch nie die Mühe, ihr zu erklären, wer sie war oder was sie getan hatte. Sie kannte die First Ladys, die zu Besuch kamen. Mit ihnen ging sie einkaufen, was keinen groÃen Spaà machte, weil die Geschäftsinhaber sich entweder weigerten, Geld von ihr anzunehmen, oder so niedrige Preise nannten, dass sie nicht einmal handeln konnte. Die Basare wurden vor ihrer Ankunft für andere Käufer gesperrt, und sie hatte das Gefühl, am Set einer Fernseh-Soap zu sein. Mitunter ermunterte General Zia sie, Zeitung zu lesen, um über die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen, die er im Land herbeiführte, auf dem Laufenden zu sein, aber sie gab sich nie damit ab. âDiese Zeitungen sind voll mit dem, was du gesagt und gemacht und mit wem du dich getroffen hast. Dabei faulenzt du die ganze Zeit zu Hause herum. Sehe ich dich denn nicht oft genug? Muss ich mir jetzt auch noch Bilder von dir in allen möglichen Klatschblättern anschauen?â
Angesichts dieses Desinteresses für die nationale Presse konnte es kein Zufall sein, dass die First Lady die betreffende Ausgabe der Pakistan Times auf ihrem Nachttisch fand, sorgfältig so gefaltet, dass sie das Bild auf der Rückseite sehen musste â das Bild, das ihren Glauben an die Männer für immer zerstören sollte. Der Vorfall führte zu einem prompten Rausschmiss des Herausgebers der Pakistan Times.
Das Erste, was die First Lady an dem Bild schockierte, war die Masse von nacktem Fleisch, das aus der Bluse der weiÃen Frau quoll. Sie wusste sofort, dass dieses Weib einen dieser neuen BHs mit Drahtbügelverstärkung trug, die die Brüste anhoben und gröÃer erscheinen lieÃen. Mehrere der anderen Generalsgattinnen hatten solche BHs, besaÃen jedoch zumindest den Anstand, hochgeschlossene Blusen darüber zu tragen, so dass die verbesserte Form sich nur andeutete. Die Frau auf dem Bild hingegen trug eine Bluse, die so weit ausgeschnitten war, dass die Hälfte ihrer Brüste freilag, und zwar derart hochgedrückt und zusammengepresst, dass der diamantene Anhänger um ihren Hals beinahe in ihrem Dekolleté verschwand.
Und daneben ihr Gemahl â der Mann der Wahrheit; der Mann des Glaubens; der Mann, der den Frauen zur besten Sendezeit Anstand predigte; der Mann, der Richterinnen und Nachrichtensprecherinnen feuerte, weil sie sich weigerten, einen Dupatta um den Kopf zu tragen; der Mann, der nicht gestattete, dass in einer Fernsehserie zwei Kissen nebeneinander auf einem leeren Bett lagen; der Mann, der die Kinobetreiber dazu zwang, jedes unbedeckte Stückchen Arm oder Bein auf den Filmplakaten zu übermalen â, dieser Mann saà da und starrte so entrückt und selbstvergessen auf die beiden Kugeln aus weiÃem Fleisch, dass man meinen konnte, seine eigene Frau sei ohne ein solches Paar auf die Welt gekommen. Die Bildunterschrift klang harmlos: Der Präsident wird von der berühmten ausländischen Korrespondentin Joanne Herring interviewt.
Interview! Dass ich nicht lache, dachte die First Lady. Es sah eher aus, als würde General Zia den Busen von Miss Herring befragen. Die First Lady legte die Zeitung beiseite, trank ein Glas Wasser, dachte an ihre achtunddreiÃig Ehejahre und ihre fünf erwachsenen Kinder. Sie erinnerte sich daran, dass ihre jüngste Tochter noch verheiratet werden musste. Plötzlich traute sie ihren Augen nicht mehr und griff noch einmal nach der Zeitung. Nein, es war kein Missverständnis möglich, kein Fehler, für den man in einem Brief an den Herausgeber eine Richtigstellung
Weitere Kostenlose Bücher