Eine Kiste explodierender Mangos
Fuà durch das Tor gegangen war. Sie fuhr sonst immer in einem kleinen Konvoi mit zwei Motorrädern als Vorhut. Ihrem schwarzen Mercedes folgte ein offener Jeep mit bewaffneten Kommandosoldaten.
Die StraÃe zu ihren FüÃen wirkte wie eine verlassene Startbahn, sauber und endlos. Noch nie waren ihr die uralten Bäume aufgefallen, die die StraÃe säumten. Mit ihren gekalkten Stämmen und den schweren Ãsten voller Sperlinge hätten sie eine gute Kulisse für eine Geistergeschichte abgegeben. Zur Ãberraschung der First Lady hielt niemand sie am Eingang des Feldlagers auf, wo ihr Mann damit beschäftigt war, Präsident zu spielen.
âStell dich verdammt noch mal in die Reihe!â, schrie eine Stimme sie an, und sie fand sich am Ende einer langen Schlange von Frauen wieder. Alle waren in mittlerem oder fortgeschrittenem Alter, alle trugen weiÃe Dupattas um den Kopf. An ihren Gesichtern erkannte sie, dass sie arm waren, sich für diesen Anlass jedoch fein gemacht hatten. Ihre baumwollenen Shalvar Kamiz waren sauber und gebügelt, einige hatten sich Wangen und Hals mit Talkumpuder bestäubt. Sie bemerkte mindestens zwei Schattierungen von rotem Nagellack. Am anderen Ende der Schlange sah die First Lady ihren Mann. Seine Zähne blitzten, sein Schnurrbart vollführte seinen kleinen Tanz für die Fernsehkamera, sein gescheiteltes und geöltes Haar glänzte in der Sonne. Er verteilte weiÃe Briefumschläge und tätschelte den Empfängerinnen die Köpfe, als wären sie keine armen Frauen, die dringend benötigtes Bargeld erhielten, sondern Schulkinder, an die der Direktor beim Morgenappell Trostpreise verteilt.
Die First Lady überlegte, ob sie nach vorne stürmen und ihn vor dem Fernsehteam zur Rede stellen sollte â die Zeitung vor der Kamera entrollen und der Welt verkünden, dass dieser Mann des Glaubens, der Mann der Wahrheit und Freund der Witwen nichts weiter war als ein Busenglotzer.
Es war nur ein vorübergehender Einfall, denn sofort wurde ihr klar, dass ihr Auftritt es niemals ins Fernsehen schaffen würde. Stattdessen hätte er hässliche Gerüchte in Islamabad zur Folge, die, noch bevor der Tag zu Ende ginge, in allen vier Himmelsrichtungen des Landes kursieren würden, dass nämlich die First Lady eine Wahnsinnige sei und eifersüchtig auf die armen Witwen, denen ihr Mann doch nur helfen wolle. Vielleicht sollte sie den Frauen das Bild zeigen? Nein, sie wären ganz sicher der Meinung, dass sie zu heftig reagierte. âWas ist verkehrt daran, wenn der Präsident mit weiÃen Frauen redet?â, würden sie fragen. âAlle Präsidenten tun das.â
Sie musterte die lange Reihe vor sich, zog ihren Dupatta straff über den Kopf und beschloss, geduldig zu warten, um sich mit den anderen Frauen Stückchen für Stückchen ihrem Wohltäter zu nähern. Sie rollte die Zeitung zu einem immer festeren Stab zusammen. Schon seit sie sich angestellt hatte, beäugte die Frau vor ihr sie argwöhnisch. Sie starrte auf den Diamantring der First Lady, ihre goldenen Ohrringe und ihre Perlmuttkette. âHat Ihr Mann Ihnen den ganzen Schmuck freiwillig hinterlassen oder mussten Sie ihn dafür umbringen?â, zischte sie.
Seit General Zia sich wegen der Alarmstufe Rot sogar weigerte, das Army House bei Staatsempfängen zu verlassen, gingen seinem Informationsminister allmählich die Ideen aus, wie er seinen Chef in die Fernsehnachrichten bringen konnte. Als der General ihm befahl, das Rehabilitationsprogramm für Witwen in die Hauptsendezeit zu quetschen, zögerte der Minister zuerst. âAber das machen wir doch immer schon im Ramadan, Sirâ, murmelte sein Minister entschuldigend. Wo sollte er um diese Jahreszeit so viele Witwen auftreiben?
âGibt es in diesem Land ein Gesetz, das es mir verbietet, armen Leuten auch im Juni zu helfen?â, hatte der General ihn angeschrien. âHaben wir eine Erhebung durchgeführt, nach der Witwen nur im Ramadan bedürftig sind, aber nicht mehr am Morgen danach?â
Der Informationsminister faltete die Hände über seinem Schoà und schüttelte enthusiastisch den Kopf. âAber nein, das ist eine brillante Idee, Sir. Eine nette Abwechslung in den Nachrichten. Den Leuten hängt das Gerede vom Abzug der Sowjets und den SchieÃereien zwischen unseren afghanischen Mudschaheddin sowieso zum Halse raus.â
âUnd sorgen
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