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Eine Kiste explodierender Mangos

Eine Kiste explodierender Mangos

Titel: Eine Kiste explodierender Mangos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mohammed Hanif
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bereits seinem Informationsminister zu, um ihm ordentlich Bescheid zu geben. Ohne die Frau anzusehen, reichte er ihr den Umschlag. Sie hielt seine Hand fest und drückte einen kleinen Ring aus Metall hinein. Er wandte sich erst um, als er das Zerbrechen von Glas hörte.
    Dort stand seine Ehefrau und schlug ihre Glasarmreifen aneinander, etwas, das Frauen nur tun, wenn sie vom Tod ihres Mannes erfahren.
    Später würde sie geduldig zuhören, wie General Zia seinen Feinden in der Presse die Schuld gab, sich mit nationalen Interessen herausredete und ihre gemeinsamen achtunddreißig Jahre beschwor. Er sagte all das, was die First Lady vermutet hatte. Anschließend erklärte sie sich bereit, weiterhin ihren offiziellen Pflichten als First Lady nachzukommen, bei Staatsfeiern anwesend zu sein und andere First Ladys zu empfangen. Erst jedoch, nachdem sie ihn aus ihrem Schlafzimmer geworfen hatte.
    Aber in diesem Moment sagte sie nur eins, bevor sie davonging: „Du kannst meinen Namen auf die Liste dieser Witwen setzen. Für mich bist du gestorben.“

Dreizehn
    D er Soldat, der mich aus der Folterkammer führt, befreit meine Hände, macht sich aber nicht die Mühe, die Augenbinde zu entfernen. Mit einer Hand packt er mich im Nacken, drückt mich nach unten und befördert mich mit einem Stiefeltritt in einen anderen Raum. Ich lande auf dem Gesicht, meine Zunge schmeckt Sand. Die Tür, die sich hinter mir schließt, ist klein. Ich bin erleichtert, dass ich mich nicht in der Toilette befinde, in der ich die Nacht zuvor verbracht habe. Ich versuche, den Knoten der Augenbinde zu öffnen, aber er sitzt zu fest. Also zerre ich sie herunter, und sie hängt mir um den Nacken wie die Halsbänder von Hunden armer Leute. Ich blinzle, blinzle immer wieder, sehe aber nichts. Ich reiße die Augen auf, kneife sie zusammen. Nichts. Bin ich blind geworden? Wie angewurzelt stehe ich da, habe Angst, Hände und Füße zu bewegen, Angst, mich in einem Grab zu befinden. Ich atme ein. Die Luft riecht wie eine Bettdecke, die im Monsun eine Nacht draußen gelegen hat – immerhin besser als der Gestank von gestern. Versuchsweise bewege ich meine rechte Hand, strecke den Arm aus. Kein Kontakt. Dasselbe mit der Linken. Leere. Ich bewege meine Arme nach vorn und nach hinten, dann drehe ich mich mit ausgestreckten Armen um 360 Grad, aber ich stoße nirgends an. Eine Hand vorgestreckt, gehe ich nach vorn und zähle dabei meine Schritte. Zehn, dann berührt meine Hand eine Backsteinwand. Ich ertaste die schmalen, flachen Backsteine, aus denen die Moguln diese Festung erbaut haben. Schlussfolgerung: Ich bin noch im Fort, aber in keinem der Anbauten der Armee. Ich bewege mich nach links. Zwölf Schritte, und ich stoße auf ein weiteres Beispiel mogulischen Mauerwerks. Ich klopfe dagegen, und wie zu erwarten, entlocken meine Knöchel diesem historischen Monument nur einen toten Laut.
    Ich bin nicht in einem Grab. Ich habe viel Platz, ich kann atmen. Ich befinde mich in einem Verlies von luxuriösen Ausmaßen. Meine Augen gewöhnen sich an die Dunkelheit, aber sehen kann ich noch immer nichts. Die Dunkelheit wird nur noch dunkler. Es ist eine steinalte Dunkelheit, geschaffen von der sadistischen Phantasie der Moguln. Die Typen haben zwar ihr Reich verloren, aber wie man Kerker baut, wussten sie. Ich gehe auf die Knie und krieche auf allen Vieren durch mein neues Domizil. Auf dem Boden ist echter Sand, darunter riesige kalte Steinplatten. Wer hier einen Tunnel graben will, müsste ein Bergbauunternehmen anheuern. Einziges Zugeständnis an die Moderne in diesem Monument architektonischer Werte aus dem 16. Jahrhundert ist der Plastikeimer, mit dem ich in einer Ecke zusammenstoße. Er ist offenbar schon lange nicht benutzt worden, aber der dumpfe Geruch, der von ihm ausgeht, macht unmissverständlich klar, dass ich keine Toilettengänge zu erwarten habe.
    Ich setze mich und lehne den Rücken an die Wand. Schließe die Augen und hoffe, dass die Dunkelheit nachlässt, wie im Kino. Öffne sie wieder.
    Das hier ist kein Kino. Ich kann nicht einmal imaginäre Schatten zum Appell antreten lassen.
    Minuten vergehen, Stunden vergehen. Wie soll ich wissen, wie lange ich schon hier bin? Wenn ich mich nicht bewege, werde ich mein Augenlicht verlieren oder einen Teil meines Gehirns und wahrscheinlich die Beweglichkeit meiner Gliedmaßen. In Panik springe ich auf die Füße.

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