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Eine Kiste explodierender Mangos

Eine Kiste explodierender Mangos

Titel: Eine Kiste explodierender Mangos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mohammed Hanif
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zu erwecken.
    Ich nahm den Gurt ab und legte mich in Schuhen aufs Bett und begann zu starren. Starrte und starrte auf die beiden kleinen Kreise auf dem Handtuch und löste mich vollkommen. Ich hatte diese Übung selbst erfunden. Sie ist langwierig, und nur wenige besitzen die geistige Ausdauer dazu, denn sie beinhaltet einen vollständigen Verzicht auf Gedanken und eine völlige Beherrschung der Muskulatur. In jenen Ferien, als Colonel Shigri tagsüber im Koran nach Vergebung seiner Sünden suchte und abends beim Scotch seinen nächsten Einsatz in Afghanistan plante, war es mir gelungen, diese Übung zu meistern. Ich hatte damals sehr viel Zeit.
    Die völlige Loslösung bahnt sich ihren Weg vom Schädel bis hinunter in meine Zehen. Ich spanne die Muskeln an, halte die Spannung und löse sie wieder, Knoten für Knoten, während der Rest meines Körpers nichts davon bemerkt. Gefühle wie Erwartung und Sehnsucht sind dabei kontraproduktiv.
    Es liegt nicht an den Muskeln. Das Gefühl für den Stahl ist nur im Kopf. Der Säbel muss deinen Willen durch deine Fingerspitzen spüren.
    Obaid war erstaunt, mich bei seiner Rückkehr in Uniform vorzufinden. Seinen Bericht über Die Kanonen von Navarone ignorierend, holte ich eine schwarze lederne Augenklappe aus meinen alten Exerzierstiefeln und bat ihn, sie anzulegen. Zumindest einmal stellte er keine Fragen und tat sich auch nicht mit Shigri-Witzen hervor. Selbst als ich die Vorhänge zuzog und alle Lampen bis auf eine ausschaltete, sagte er kein Wort. Erst als er die Schnalle meines Säbelgurts klappern hörte, meinte er: „Ich hoffe, du weißt, was du tust.“ Ich knipste die Tischlampe an, nahm eine Flasche weiße Stiefelwichse und tauchte meine Säbelspitze hinein. Obaid starrte mich an, als würden mir direkt vor seiner Nase Hörner wachsen, aber er war klug genug, nichts zu sagen. „Okay, Baby O. Du kannst dich bewegen, so viel du willst, aber wenn du beide Augen behalten willst, halte so still du kannst. Und ja, ich weiß, was ich tue. Heb dir deine Predigt für später auf.“
    Ich knipste die Tischlampe aus, ging auf Obaid zu und stellte mich so dicht neben ihn, dass ich den Kardamom in seinem Atem riechen konnte. Er hielt das Kauen von Kardamom für gute Mundhygiene und trug immer ein paar von den grünen Kapseln bei sich. Ich trat einen, zwei, drei, vier, fünf Schritte zurück, umschloss den Säbelgriff mit der rechten Hand und hielt mit der linken die Scheide gerade und fest. Es blitzte kurz auf, als der Säbel das Mondlicht einfing, das durch einen Spalt im Vorhang fiel. So würde es auch an jenem Tag geschehen, wenn es keine Wolken gab, dachte ich. Doch was ich dachte, spielte keine Rolle. Der Befehl hatte sich von meinem Gehirn in die Sehnen meines Unterarms fortgepflanzt, die toten Moleküle des Metalls erwachten zum Leben, und mein Wille fuhr in die Spitze des Säbels, die genau in die Mitte der schwarzen ledernen Augenklappe traf. Ich steckte den Säbel zurück in die Scheide und bat Obaid, das Licht einzuschalten. Als er sich wieder zu mir umdrehte, sah ich den winzigen weißen Punkt in der Mitte der schwarzen Klappe auf seinem rechten Auge. Zufrieden entspannte ich meine Schultern. Obaid baute sich vor mir auf, hob die Augenklappe an, streckte die Zunge heraus und bot mir seine halb zerkaute Kardamomkapsel an. Eine grüne Fliege auf seiner samtig roten Zungenspitze. Ich nahm sie und steckte sie mir in den Mund, schmeckte ihren süßen Duft. Die bitteren Samen hatte er bereits gegessen. Er legte mir die Hand auf die Schulter. Ich erstarrte. Er legte seine Lippen an mein Ohr und fragte: „Wie kannst du so sicher sein?“
    â€žEs liegt mir im Blut“, sagte ich und zog ein Taschentuch aus meiner Hose, um die Spitze meines Säbels abzuwischen. „Wenn du deinen Vater mit einem Bettlaken um den Hals an einem Deckenventilator gefunden hättest, dann wüsstest du das.“
    â€žWir kennen jemanden, der es herausfinden könnte“, sagte er, das Kinn auf meine Schulter gelegt. Ich spürte die Hitze seiner Wange.
    â€žIch traue ihm nicht. Und was sollte ich überhaupt sagen? ‚Leutnant Bannon, könnten Sie vielleicht Ihre Beziehungen spielen lassen, um Licht in den Fall des tragischen Todes von Colonel Shigri zu bringen, der vielleicht oder vielleicht auch nicht für den CIA gearbeitet hat, vielleicht oder vielleicht

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