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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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Kellnerinnen und schwärmte mit hübsch dekorierten Tabletts voll kleiner brauner, klebriger Kuchenschnitten aus, heute so vertraut wie damals fremd. Ich mag keine Schokolade und erinnere mich, dass auch Georgina keine mochte, deshalb verzichteten wir beide als Einzige an unserem Tisch, aber die Brownies müssen gut gewesen sein, denn alle anderen griffen beherzt zu, und ich sah, wie sich Damian am anderen Ende des Saals regelrecht vollstopfte.
    Was dann geschah, begann so, wie ein Gerücht entsteht, etwas Befremdliches, das sich in der Menge ausbreitet, ehe jemand die Quelle feststellen kann. Ich tanzte gerade mit Minna Bunting, obwohl unser kleiner Flirt schon vorüber war; plötzlich hörten wir, wie sich jemand mit heftigem Würgen übergab – damals noch ein bestürzender Zwischenfall. Wir Tanzenden begannen einander anzusehen, als weitere merkwürdige Geräusche an unsere Ohren drangen; Männer wie Frauen brachen in Gelächter aus, aber nicht wie üblich, weil man etwas amüsant findet, sondern schrill wie auf einem Hexensabbat. Innerhalb kürzester Zeit kam aus jeder Ecke ein Rufen, Singen, Schreien, Weinen. Ich sah meine Partnerin an, ob sie genauso verwirrt war wie ich, aber sie schien selbst nicht ganz auf der Höhe. »Mir ist furchtbar schlecht«, murmelte sie und machte sich wortlos davon. Ich eilte ihr nach, aber plötzlich presste sie die Hand auf den Mund und lief los, auf eine ferne Toilette zu. Die Tanzpaare hatten noch eine gewisse Haltung gewahrt, aber die Gäste abseits der Tanzfläche kamen mir zunehmend verwirrt vor, nach kurzer Zeit sogar völlig übergeschnappt. Einer Mutter, die an mir vorbeirannte, hing die Brust aus dem Dekolleté. Annabella Warren, Andrew Summersbys Schwester, lag kreischend
auf dem Boden, raffte die Röcke bis zum Nabel und präsentierte absolut ausgefallene Unterwäsche, möglicherweise aus dem Altbestand ihrer Nanny. Unweit von ihr war ein junger Mann dabei, sich das Hemd über den Kopf zu ziehen. Im Tumult hatte ich Minna aus den Augen verloren, da fasste mich jemand am Arm.
    »Was ist denn hier los, um Himmels willen?« Georgina war aufgetaucht, mit ihrer Leibesfülle ein willkommener Schutzschild. Ein Mädchen stolperte, fiel uns vor die Füße, streckte alle viere von sich und lachte hysterisch.
    »Los, alle auf die Tanzfläche! Klatscht in die Hände!« brüllte eine allzu vertraute Stimme ins Mikrofon. Wir drehten uns um und sahen, dass der Stripper von eben niemand anderer war als Damian Baxter, der sich inzwischen auch seiner restlichen Kleider entledigt hatte. In nichts als seiner ebenfalls stark abrutschgefährdeten Unterhose sprang er wild auf der Bühne herum.
    Der Ballsaal hatte sich in ein Irrenhaus verwandelt. Einige Gäste mussten ihn bei den ersten Anzeichen der Turbulenzen verlassen haben, mit dem wunderbaren Instinkt, den die Oberschicht in solchen Situationen beweist. Aber wer nicht in der Nähe der Ausgänge war, hatte immer größere Schwierigkeiten, dorthin zu gelangen. Mitten in der tobenden Menge entdeckte ich Terry. Ihre Frisur hatte sich aufgelöst, ein Gebilde aus künstlichen Locken hatte sich in ihrem Nacken an einem Reißverschluss oder Haken verfangen und hing ihr wie eine Mähne den Rücken herab; sie sah ein wenig aus wie ein wildes Tier, als sie sich durch die dichten Reihen ihrer Gäste kämpfte. Ich reckte den Arm über einen wimmernden Mann hinweg, dem sein erbrochenes Abendessen auf der Hemdbrust klebte, packte Terry am Handgelenk und zog sie zu mir. »Was ist denn los? Was ist passiert?«
    »Jemand hat was in die Brownies gemischt. Dope.«
    » Was hat er reingemischt?« Unglaublich, aber das Wort sagte mir nicht gleich etwas. Oder trübte der Schock mein Denken?
    »Hasch. Marihuana. Dope eben.« Terry war mit der Sache vertrauter und gleichzeitig so wütend, dass sich Dschingis Khan daneben hätte verstecken können.

    »Warum? Wer würde so etwas tun?«
    »Jemand, der mir meine Party ruinieren will. Unter dem Vorwand, das wäre doch ein toller Spaß.« Die Diagnose traf zweifellos ins Schwarze. Terry war reich, sah gut aus und stach als Außenseiterin hervor. Mehr als genug, um ihr von mehreren Seiten Feindschaft einzutragen, die sich hier allerdings ungewöhnlich unangenehmer Mittel bediente. Vielleicht ahnte der Übeltäter nicht, welches Ausmaß das Chaos erreichen könnte, das er mit seinem kleinen Schabernack anrichtete. Experten waren wir damals alle nicht.
    »Du selbst siehst ganz okay aus«, sagte ich.
    »Weil ich auf

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