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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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an sie erinnerte. Er fuhr fort: »In Ordnung. Warum nicht? Wenn ich meine Kaution für die Wohnung bezahlt und die Anzüge gekauft habe, die ich für die Arbeit
brauche, habe ich keinen Penny mehr und damit keine Aussicht auf einen Urlaub dieses Jahr.«
    »Da sind wir in derselben Lage.« Seine Zusage überraschte mich etwas, aber im Großen und Ganzen freute ich mich darüber. Möglicherweise bot uns dieser Sommer die Chance, das etwas unbefriedigende Ende unserer Freundschaft hinter uns zu lassen und mit größerem Seelenfrieden in verschiedene Richtungen weiterzuziehen.
    »Bist du auf der Hochzeit gewesen?«, fragte er.
    Ich hatte schon überlegt, wie lange es dauern würde, bis er das ansprach. »Ja.«
    »Ich nicht.«
    »Ich weiß.«
    »Ich wurde eingeladen.« Er legte Wert darauf, mich wissen zu lassen, dass seine Abwesenheit seine und nicht ihre Entscheidung gewesen war. »Hast du das Baby gesehen?«
    »Einmal. Andrew wie aus dem Gesicht geschnitten.«
    »Na, hat die Kleine ein Glück.« Er schnaubte abfällig, ein Versuch, unser gemeinsames, aber uneingestandenes Leid ins Lächerliche zu ziehen. »Gut. Schick mir die Unterlagen, sobald du sie hast, und dann sehen wir uns in der Sonne.« Damit war das Gespräch beendet.
    Die Villa lag direkt am Meer, zwischen Estoril und Cascais. Heute ist die Küste weitgehend verbaut, aber damals, vor achtunddreißig Jahren, gab es unterhalb der Terrasse nur Felsen, über die man direkt zu einem breiten, herrlichen Sandstrand gelangte, und dahinter dehnte sich das Meer aus. Das Haus war in den Fünfzigerjahren erbaut worden, wie auch die anderen zwei, drei Villen, die in jenen Tagen vor der Existenz eines Bebauungsplans an die Küste gestellt worden waren. Es bestand aus einem großen Wohnraum – Salon konnte man ihn angesichts der vielen Rattanmöbel und dergleichen nicht nennen – und einem Esszimmer, das zugleich als Eingangshalle diente und die gesamte Eingangsfront einnahm; dahinter befanden sich diverse Küchen. Dorthin drangen wir selten vor, denn die unzähligen, darin herumhantierenden Portugiesinnen schauten immer finster drein, wenn wir uns hineinwagten. In einem langen, rechtwinklig
ans Haupthaus angebauten Seitenflügel lagen die Schlafzimmer, verteilt über das Erdgeschoss und den ersten Stock. Jedes Zimmer hatte ein eigenes Bad und Fenstertüren, die sich oben auf einen Balkon mit Außentreppe öffneten, und unten direkt auf die breite, von einer Balustrade umrahmte Terrasse mit Blick aufs Meer.
    Unser Gastgeber John Dalrymple war ein äußerst umgänglicher, hochintelligenter Mann, den Mrs. Thatcher später in ihre Regierung holen sollte. John war so bodenständig normal, dass man sich über die Wahl seiner Freundin etwas wunderte, eine neurotische amerikanische Blondine, die andauernd die Nase hochzog und sich über Halsschmerzen beklagte. Sie hieß Alicky, wohl eine Kurzform von Alexandra. Ich erinnere mich so gut an sie, da sie sich als Erste ständig über die Giftstoffe aufregte, mit denen die Regierung unsere Nahrungsmittel verpeste, und meinte, unsere Welt stehe kurz vor dem Kollaps. Damals hielten wir sie für hochgradig plemplem, aber rückblickend war sie wohl ihrer Zeit voraus. Aus Sicherheitsgründen, die im damaligen Denken noch wenig Raum einnahmen, hatte sie beschlossen, dass die Frauen oben und die Männer unten schlafen sollten. So hatten wir den Vorteil, dass sich unsere Fenstertüren zur Terrasse mit dem wunderbaren Meerblick öffneten. Mein Zimmer lag am äußersten Ende des Seitenflügels und hatte mit den hellen Bodenfliesen, den Korbmöbeln, den weißen Decken und Vorhängen das vertraute, saubere, meerfrische Sommerflair. Manchmal frage ich mich, warum alle Versuche, solche Räume in England zu reproduzieren, zum Scheitern verurteilt sind. Wahrscheinlich wirken sie im Licht des Nordens einfach nicht.
    Ich flog mit derselben Maschine wie Candida, Dagmar und Lucy. Damian reiste auf eigene Faust an, war bei unserer Ankunft bereits da und zog sich in seinem Zimmer um; also taten wir dasselbe. Die Tremaynes kamen aus Paris und waren quer durch Spanien gefahren, um ihren Urlaub kostenlos zu verlängern. Auch sie erholten sich in ihren Zimmern, sodass wir alle erst ein, zwei Stunden später auf der Terrasse eintrudelten, die Frauen in ihren prächtig bunten Sommerkleidern, ich im wenig berauschenden »zwanglosen Sommerlook« des Engländers, in dem er unweigerlich aussieht, als würde er sich am
liebsten wieder in seinen Anzug zwängen (was

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