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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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Bahn. »Ja. Das stimmt wohl …« Sie zögerte. Ich hörte fast, wie sie sich vor Verlegenheit auf die Lippe biss, und kam ihr zu Hilfe. »Aber du hättest gern einen Zusatzmann, falls jemand abspringt.«
    »Genau. Ich mag es nicht, wenn die Frauen in der Überzahl sind.«
    »Was ist mit Sam Hoare?«
    »Der arbeitet.«
    »Und Philip Rawnsley-Price?«
    »Igitt.« Sie lachte und nahm einen neuen Anlauf. »Also, ich habe mir gedacht, du könntest vielleicht diesen, wie heißt er gleich, Damian Baxter fragen. Deinen Kumpel aus Cambridge, der zu allen Bällen gekommen ist.« Der bemüht nonchalante Ton verriet, dass
Candida diesen Plan von langer Hand vorbereitet hatte. Als ich nicht sofort antwortete, setzte sie hinzu: »Aber wenn es dir lästig ist …«
    »Nein, nein.« Ich hatte schließlich nichts Konkretes gegen Damian. Er hatte bei Serena mehr Erfolg gehabt als ich, und das nahm ich ihm übel. Aber das Schlimmste, was ich ihm vorwerfen konnte, war ein Flirt mit ihr — von mehr wusste ich damals nicht. Für mich zählte vor allem, dass letzten Endes keiner von uns sie erobert hatte. Zu unserem wohl beiderseitigen Entsetzen hatte sie im April vergangenen Jahres Andrew Summersby geheiratet und im März darauf, drei Monate vor diesem Anruf, eine Tochter zur Welt gebracht. Mit anderen Worten, sie hatte sich weit, weit von uns entfernt. »Na schön, ich versuch’s«, sagte ich lahm.
    »Du glaubst nicht, dass er kommen will.«
    »Ich weiß nicht. Er ist so abrupt aus der Saison ausgestiegen, dass man eine Grundsatzentscheidung dahinter vermuten könnte.«
    »Habt ihr nicht darüber geredet?«
    »Wir haben über gar nichts geredet. Seit deinem Ball habe ich ihn kaum gesehen.«
    »Aber verkracht seid ihr nicht?«
    »Nein. Wir haben uns einfach nicht mehr getroffen.«
    »Na, mich hast du seither auch nicht getroffen, und wir sind auch nicht verkracht.«
    Ich wusste nicht, warum sich ein solcher Widerstand in mir regte. »Gut, du hast mich überzeugt. Ich versuch’s. Ich weiß nicht, ob ich noch die richtige Nummer von ihm habe, aber ich werde mein Bestes tun.«
    »Hervorragend! Ich danke dir.« Sie klang etwas munterer. »Sag mir Bescheid, ob er Lust hat, und ich werde alles in die Wege leiten.«
    Im Zeitalter vor dem Handy war das Leben komplizierter. Wenn jemand umzog, verlor man ihn aus den Augen – vorübergehend, konnte man nur hoffen. Wir hatten auch noch keine Anrufbeantworter, und wer nicht zu Hause war, war eben unerreichbar. Trotzdem sind wir zurechtgekommen. Als ich mein altes Adressbuch durchsah, fand ich darin die Nummer von Damians Eltern, und sie gaben mir bereitwillig die Nummer seiner neuen Londoner Wohnung,
in die er offenbar gerade eingezogen war. »Ich bin tief beeindruckt«, sagte ich, und das stimmte.
    »Wir auch.« Ich hörte seine Mutter beim Sprechen lächeln. »Er macht sich, unser Damian.«
    Ich wählte seine Nummer, und als er abhob, wiederholte ich ihm das mütterliche Lob. »Ich teile mit jemandem eine Mietwohnung am falschen Ende von Vauxhall, wenn es überhaupt ein richtiges Ende gibt. Vom Geschäftsmann des Jahres bin ich noch weit entfernt. «
    »Für mich klingt das alles ziemlich nach Aufstieg. Hast du schon eine Stelle gefunden?«
    »Die habe ich mir schon gesucht, bevor ich Cambridge verlassen habe.« Er nannte den schwindelerregenden Namen einer amerikanischen Bank. »Die haben Leute gesucht und … mich eingestellt.« Ich erstarrte in der gebotenen Ehrfurcht. Eines habe ich im Leben gelernt: Wer an die Spitze kommt, steigt meist schon oben ein. »Ende August fange ich an«, sagte er.
    »Ich auch, aber mit weniger Glanz und Gloria.« Ich erzählte ihm von meinem bescheidenen Job als Prügelknabe in der Zeitschriftenredaktion. Wir verstummten. Bisher hatte unser Gespräch vor allem aufgedeckt, wie weit wir schon während unseres restlichen Studiums auseinandergedriftet waren. Damian hatte nicht nur der Saison, sondern auch mir den Rücken gekehrt, was mir erst in diesem Moment in aller Schärfe bewusst wurde.
    Ich kam zum Grund meines Anrufs.
    »Also, ich weiß nicht.« Er klang nicht begeistert.
    »Ich habe Candida schon gesagt, dass ich glaube, du hast vielleicht genug von uns.«
    »Candida hatte ich schon immer gern.« Das verblüffte mich nicht wenig. Ich hatte die Freundschaft der beiden nie bemerkt, aber wie viel hatte ich überhaupt bemerkt? Mich beschlich der Verdacht, Candida hätte sich den Umweg über mich erspart, wenn sie gewusst hätte, wie freundschaftlich Damian sich

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