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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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begann damals zu ahnen, dass seine Absichten nicht so leicht zu durchschauen waren wie zunächst angenommen, und ich bewunderte immer noch seine Chuzpe, vor allem, als er wieder in den Ballsaal zurückkehrte. Denn eine glückliche Fügung hatte ihn an sein Ziel geführt. Zur staunenden Bewunderung aller, die wussten, dass er ohne Einladung gekommen war, eskortierte er die Gastgeberin zur Tanzfläche, zumindest das Mädchen, das im Mittelpunkt des Abends hätte stehen sollen: Prinzessin Dagmar höchstpersönlich. Für die langsame Nummer wurde das Licht gedimmt, und vor allen Gästen schlang Dagmar die Arme um den Provokateur und drückte ihr winziges Gesicht an seine Brust. Zur Schmusemusik strich Damian zärtlich über ihr strähniges Haar. Dann begegnete er meinem Blick. Und zwinkerte mir zu.
    Zum Eklat, der, wie wir wohl alle wussten, nicht ausbleiben konnte, kam es schließlich beim Frühstück. Ein Wunder, dass es überhaupt so lange gedauert hatte. Es war bei allen privaten Bällen üblich, gegen Ende der Festlichkeiten, etwa ab halb zwei Uhr früh, ein Frühstück zu servieren, das von unterschiedlicher Qualität war und manchmal das Warten nicht wert. Aber die Großherzogin hatte sich nicht lumpen lassen und das Beste geordert, was das Hotel zu bieten hatte; es war in der Tat ausgezeichnet. Wir warteten nicht in einer Schlange, sondern grüppchenweise, um uns an den Eiern mit Speck, Bratwürsten und Grillpilzen zu bedienen, die auf silbernen Warmhalteplatten angerichtet waren.
    Damian stand ein Stück vor mir. Dagmar war nicht mehr zu sehen; er schien sie aufgegeben zu haben, um eine ebenso große, wenn nicht größere Beute zu verfolgen: Serena. Noch nie hatte ich sie so munter erlebt; sie schwatzte, lachte und beugte sich dicht zu ihm. Überrascht bemerkte ich, wie gut sie sich zu kennen schienen. Serena war als Caroline Lamb gekommen, als Page verkleidet wie auf dem berühmten Porträt von Thomas Phillips. Das knapp geschnittene Samtwams, die Kniehosen und Strümpfe brachten ihre wunderbaren Beine herrlich zur Geltung; daneben sahen alle anderen Mädchen plump und spießig aus. Damian war an ihrer Seite ein überzeugender
Byron, womöglich steckte überhaupt diese Idee hinter seinem Kostüm; die beiden hätten diesen Auftritt fast planen können. Serena war nicht so schön wie Joanna Langley, das war keine Frau, aber ihre feinen Züge machten dies mehr als wett. Kurz, die beiden sahen zusammen großartig aus, und wieder zog Damian alle Blicke auf sich. »Entschuldigen Sie, Sir, dürfte ich Ihre Einladung sehen?« Eine laute Stimme mit leichter Midlands-Färbung erhob sich über das Gemurmel und schwebte wie eine Möwe über uns.
    Die Frage kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel und ließ alle schlagartig verstummen. Ich sah, wie ein Mädchen buchstäblich erstarrte; das Spiegelei, das ihr halb vom Löffel hing, rutschte ab und fiel auf die Platte zurück. Neben Damian stand ein Mann im Anzug, wohl ein leitender Angestellter des Hotels. Er stand ganz dicht neben Damian, unverschämt dicht. Damit wollte er offenbar ausdrücken, dass er hierhergehörte, in diesen Saal, in dieses Hotel, Damian Baxter seiner Meinung nach aber nicht. In Wahrheit war es natürlich komplizierter. Ein Großteil der Anwesenden wusste, dass Damian keine Einladung hatte, aber er war nun schon so lange auf dem Ball, dass der Vorwurf von den meisten nur noch als Wortklauberei betrachtet wurde. Damian hatte sich nicht auffällig benommen, sich nicht betrunken, nicht herumgepöbelt, mit einem Wort, er hatte alles unterlassen, was man von einem ungebetenen Gast befürchtet. Außerdem kannte er viele der Anwesenden. Er war als Freund gekommen und im korrekten Kostüm. Du lieber Himmel, er hatte geplaudert und getanzt, sogar mit dem Mädchen, dem zu Ehren der Ball stattfand. Was wollte man mehr? Das kam doch einer Einladung so gut wie gleich. Damian wurde rot, was ich nie wieder erlebt habe. »Ich bitte Sie«, sagte er leise und legte dem Mann beschwichtigend die Hand auf den grauen Kammgarnärmel»Nein, Sir. Ich bitte Sie .« Der Mann wurde laut; die Nachricht machte rasch die Runde. Immer mehr Paare schoben sich vom Tanzsaal in den Frühstücksraum, um zu sehen, was da vor sich ging. »Wenn Sie keine Einladung haben, muss ich Sie auffordern zu gehen.« Der Mann hatte Damians Hand abgeschüttelt und versuchte nun unklugerweise, ihn am Ellbogen zu packen. Doch Damian war zu schnell; fast tänzelnd wich er
rückwärts aus. Da beschloss Serena

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