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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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Flasche über den Schädel, das schwör ich bei Gott.« Mit diesen Worten löste sie Jennifer am Henkel der Kühlbox ab und führte uns zu unserem Platz auf der obersten Gartenterrasse, wo Tarquin sein Territorium abgesteckt hatte. Zum entspannenden Hintergrundgeräusch von munterem Geplauder, Musik und Tarquins monotonen Belehrungen packten wir unser Essen aus und richteten auf den Decken ein üppiges kleines Büffett an.
    Wir waren mit unserem Picknick fast fertig, als Tarquin seinen Vortrag plötzlich unterbrach. Er hatte über die Dynastie der Ptolemäer im Alten Ägypten oder ähnlich Faszinierendes doziert, und wir stierten vor uns hin, wohlig weggedriftet in unsere eigene Gedankenwelt. Da schlug seine Stimme um, und er sagte mit nervöser Schärfe: »Sie sind hier.«
    »Wer denn?« Bridget war jederzeit bereit, einen Themenwechsel, egal welcher Art, zu unterstützen.
    »Die Familie. Die Claremonts.«
    Da setzte zu meinem Erstaunen mein Herz tatsächlich einen Takt aus, wie es in Romanzen heißt. Du lieber Himmel, kommt denn in unserem Leben nie eine Zeit, in der wir zu alt sind für solche Torheiten? Aber als ich hinübersah, entdeckte ich von Serena keine Spur, sondern nur eine Gruppe älterer Herrschaften in Abendgarderobe; vermutlich hatten sie drinnen gerade eleganter, erlesener gespeist. Sie blickten wohlwollend über die Menge, die sich so gesittet an ihren Parkanlagen ergötzte; in ihrer Mitte standen zwei Rentner, die anscheinend in die Rollen des Earls und der Countess von Claremont geschlüpft waren, Roo und Pel, wie ich sie nie hatte nennen dürfen, denn auf so vertrautem Fuß hatten wir nie gestanden. Überzeugt, dass sie mich nicht sahen, betrachtete ich die beiden Ikonen meiner Jugend. Der Lord Claremont, den ich gekannt hatte, schien gegen einen anderen Mann ausgetauscht. Der gut aussehende, beleibte, stets flirtbereite Hedonist mit der weißen Lockenfülle, dem breiten Lächeln und der erotischen Ausstrahlung war völlig verschwunden, eingewechselt gegen einen knochigen, gebeugten alten Mann. Die Nase,
ihrer fleischigen Fülle beraubt und nicht mehr zwischen rundliche Wangen gebettet, stach nun aus dem Gesicht hervor, krumm wie die des Herzogs von Wellington, mit dem der Earl zweifellos verwandt war; die üppigen Lippen waren wie wegrasiert, der Schädel fast kahl. Ich würde nicht sagen, dass er darum weniger distinguiert wirkte. Im Gegenteil, er sah aus, als beschäftigte er sich mit Lyrik, Philosophie und den großen Lebensfragen, während der Lord Claremont meiner Erinnerung zwar wusste, wie man in letzter Minute einen guten Tisch besorgte und wo ein ausgezeichneter Château d’ Yquem zu haben war, aber sonst nicht viel. Er sah flüchtig in meine Richtung, ohne mich zu bemerken, was mich nicht weiter überraschte. Er hatte mich ja schon damals nie richtig zur Kenntnis genommen, jedenfalls nie gezeigt, dass ihm dieser linkische, unscheinbare junge Mann, der nur zum Vierten beim Bridge taugte, ein Begriff war. Wenn ich nun diese dürre Gestalt mit dem Münchhausen-Profil betrachtete, vermisste ich dennoch den Bonvivant von damals und spürte einen Stich angesichts des erbarmungslosen Zerstörungswerks der Jahre.
    Lady Claremont hatte sich nicht so stark verändert. Ein merkwürdiger Gedanke, aber sie muss zu Beginn unserer Bekanntschaft noch ein wenig von ihrem jugendlichen Reiz besessen haben. Sie hatte früh geheiratet, und Serena war ihr ältestes Kind, also kann sie, als wir uns kennenlernten, kaum älter als zwei-, dreiundvierzig gewesen sein. Im Alter wundert man sich, wie jung die dominierenden Gestalten der eigenen Jugend seinerzeit gewesen sein müssen. Die stolze, geistreiche Dame hatte mich damals gewaltig eingeschüchtert, denn ihre Selbstsicherheit nährte sich nicht zuletzt von ihrer kühlen Schönheit. Ganz war diese Schönheit immer noch nicht verblasst. Selbst von Weitem konnte ich sehen, dass alle Verluste durch etwas Gediegeneres wettgemacht worden waren. Lady Claremont warf einen Blick in unsere Richtung, und beinahe hätte ich vergessen, warum ich mich lieber bedeckt halten wollte. Ich war versucht, mich bemerkbar zu machen. Aber die Angst, sie könnte mein Winken ignorieren, für Tarquin sicher ein Riesenspaß, bremste mich wieder. Da kam über die Lautsprecher auch schon die Durchsage, dass das Konzert in Kürze beginnen würde. Lady Claremont murmelte ihrem
Mann etwas zu, vermutlich, dass sie auf ihre Plätze zurückkehren sollten, und nach einem letzten Gruß in die

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