Eine Koelner Karriere
intakt, der Mensch edel und gut und die Brieftasche stets prall gefüllt war.
Nur die flächendeckend installierten Videokameras, die Infrarotsensoren und Bewegungsmelder und der Stacheldraht unter dem trügerisch dichten Efeu auf der Mauerkrone trübten das idyllische Bild. Seit die Villensiedlung von einer Serie brutaler Einbrüche und Vergewaltigungen durch marodierende Kosovo-Albaner erschüttert worden war, ähnelte sie stellenweise einem Hochsicherheitstrakt.
Aber das änderte nichts an der Schönheit des Gartens.
Sogar ein notorisches Stadtkind wie Markesch, in Beton großgeworden und auf Asphalt gereift, konnte sich der Wirkung nicht entziehen. Ein völlig ungewohntes, geradezu unverschämtes Entzücken machte sich in ihm breit, eine Mischung aus Seelenfrieden und schrankenlosem Optimismus, als wären Klimakatastrophe, Ozonloch und Waldsterben nichts weiter als die Erfindungen eines überspannten Apokalyptikers, der dringend einen guten Nervenarzt brauchte. In diesem Garten erschien selbst der Frühling erträglich, fast natürlich, und wenn es überhaupt etwas gab, was er jetzt noch vermißte, dann einen doppelten Scotch und die Gewißheit, diesen Ort niemals wieder verlassen zu müssen.
»Eine Viertelstunde, auf keinen Fall länger«, sagte die Krankenschwester, die ihn an der Haustür in Empfang genommen und in das grüne Paradies geführt hatte. Sie sah ihn streng an. »Herr Schrattner ist schwerkrank; er muß jede Aufregung vermeiden.«
»Nur keine Panik«, brummte er. »Seit ich zum Frühstück eine Klinikpackung Valium verputze, ist mir jede Regung vergangen.«
Sie bedachte ihn mit einem mißbilligenden Stirnrunzeln, als wäre schon der Anblick seiner blauschillernden Nase zuviel Aufregung für ihren Patienten. Markesch revanchierte sich mit einem irren Grinsen, wie man es nur im Programmkino lernen konnte, von Klaus Kinski in Herzogs Aguirre, der Zorn Gottes, und sah mit Befriedigung, wie die Schwester einen panischen Schritt zurücktrat.
Man konnte gegen Walter Kress sagen, was man wollte, aber sein Geschmack in Sachen Krankenschwestern war unerreicht. Während er völlig zu Recht eine schlanke Figur, spitzenbesetzte Strapse und medizinballgroße Brüste schätzte, gab sich sein alter Rivale Leo Schrattner mit zweihundert Pfund Lebendgewicht, grauen Stützstrümpfen und granitenen Gesichtszügen zufrieden, die jeden Gedanken an Sex schon im Keim abtöteten.
Sie sah demonstrativ auf ihre Uhr. »Eine Viertelstunde«, wiederholte sie, und ihr Tonfall ließ keinen Zweifel daran, daß sie seine Anwesenheit keine Sekunde länger dulden würde.
Markesch wandte sich schulterzuckend ab und stiefelte über einen gewundenen Kiesweg zum Pavillon, wo Schrattner in einem gepolsterten Liegestuhl ruhte und mit schildkrötenhafter Trägheit in die Frühlingssonne blinzelte. Er war ein blasser, sichtlich abgemagerter Mann mit staubgrauem Gesicht und tief in den Höhlen liegenden Augen, der seine besten Tage weit hinter sich gelassen hatte. In seinem blümchengemusterten Morgenmantel und den plüschigen Pantoffeln sah er ganz und gar nicht wie ein Politrebell mit Kreuzzüglermentalität, sondern eher wie ein früh verrenteter Kleingärtner aus, der die Früchte seines Arbeitslebens genießen wollte, aber nicht mit dem Fluch der Krankheit gerechnet hatte.
Schrattner rührte sich nicht einmal, als Markesch die Holztreppe zum Pavillon hochstieg und abwartend stehenblieb. Der ehemalige Stadtrat atmete mühsam, saugend, als würde ihm die Luft großen Widerstand entgegensetzen, und bei jedem Atemzug traten an seiner Schläfe fingerdicke Adern hervor.
Wenn es einen Menschen gab, der mit einem Bein im Grab stand, dann Leo Schrattner. Kein Wunder, daß die Schwester dieses strenge Zeitlimit gesetzt hatte. Mit ein wenig Pech blieb ihm nicht einmal mehr diese Viertelstunde zum Leben.
Markesch räusperte sich verhalten. »Herr Schrattner?«
Schrattner schlug die Augen auf und blinzelte ins Sonnenlicht, für einige Momente verwirrt, als hätte er Mühe, sich in der Welt zurechtzufinden, und richtete dann die trüben Augen auf ihn. Er röchelte. Speichel tropfte aus einem Mundwinkel, rötlich und schaumig.
»Sie müssen der Journalist sein, der angerufen hat«, sagte er mit leiser, kraftloser Stimme. »Markesch, nicht wahr?« Eine zittrige, knochige Hand wies auf einen Gartenstuhl. »Setzen Sie sich.« Er röchelte wieder. »Sie wollen über Kress reden. Also reden Sie. Solange noch Zeit ist.«
»Nur, wenn es Sie
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