Eine Koelner Karriere
Kühltransporter. »Ich brauche mehr Informationen über diesen Zosch. Vielleicht ist er persönlich in den Drogenschmuggel verwickelt; vielleicht steckt seine Firma in finanziellen Schwierigkeiten, und er will sie mit den Koksgeschäften sanieren. Und wenn du schon dabei bist«, fügte er nach einem Moment des Nachdenkens hinzu, »check auch die Bohlen-Familie ab.«
»Was ist mit der Pankrath?«
»Zosch behauptet, sie nicht zu kennen.« Er schnaubte. »Möglicherweise hat er mich nur belogen, weil es ihm peinlich ist, als Peitschen-Freak geoutet zu werden, aber es könnte auch etwas anderes dahinterstecken. Mal sehen, ob er mit der Wahrheit herausrückt, wenn ich ihm drohe, die Koks-Connection publik zu machen.«
»Übrigens, dieser Kress rief an und schrie nach Ergebnissen«, sagte Archimedes. »Er scheint mit den Nerven ziemlich am Ende zu sein …«
»Sind wir das nicht alle?« Markesch nahm einen letzten Schluck aus der Flasche und stellte sie auf den Tresen. »Ich kümmere mich schon um Kress. Sorg’ du dafür, daß dieses Café wieder bewohnbar wird. Die Renovierung macht mich krank.«
Im bärtigen Gesicht des Griechen zuckte ein Muskel. Etwas wie Schuldbewußtsein glomm in seinen kohlenschwarzen Augen auf. »Da ist noch etwas, was ich dir sagen muß. Die Renovierung ist eigentlich keine Renovierung, sondern …«
»Später«, unterbrach Markesch und wandte sich ab. »Ich muß Schrattner und diese Corinne von Bohlen überprüfen, und die Zeit drängt.«
»Aber es ist wichtig! Das Café …«
»Später«, wiederholte er über die Schulter hinweg und humpelte nach draußen.
Sein Taxi wartete bereits am Straßenrand. Einstein Junior verzehrte soeben die letzten Reste eines Big Macs und wischte sich die ketchupverschmierten Finger an einer Serviette ab. Seine Augen hinter der Nickelbrille funkelten vergnügt, sein Gesichtsausdruck war der eines zufriedenen, frisch gewickelten Babys. Im strahlenden Frühlingslicht sah er so jung, brav und unschuldig aus, daß Markesch für einen Moment an seinen Erinnerungen zweifelte: War dies tatsächlich derselbe Mann, der noch vor einer halben Stunde mit Tempo 100 durch die verkehrsberuhigten Kölner Straßen gedonnert war? Konnte jemand, der so harmlos, keusch und rein wirkte, von einem Moment zum anderen zum Hochgeschwindigkeitsteufel mutieren?
Jemand tippte ihm auf die Schulter.
Er drehte sich um.
Es war Sophie, die blutjunge, brünette Tageskellnerin des Regenbogen, die mit ihrem Schmollmund und ihren Schlafzimmeraugen mindestens so harmlos und unschuldig wirkte wie Einstein Junior.
»Hat man dich im Stehen beerdigt«, sagte sie gedehnt, »oder bist du nur gekommen, um dir das Café ein letztes Mal anzusehen?«
Soviel zur Unschuld, dachte Markesch, soviel zur Harmlosigkeit.
»Was heißt hier ein letztes Mal?« knurrte er, während er die Autotür öffnete und sich auf dem Beifahrersitz niederließ. »Mit mir ist es wie mit den Monstern in einem guten Horrorfilm: Wir kommen immer wieder.«
»Fragt sich nur, wohin«, konterte Sophie spöttisch. »In dieses Café auf jeden Fall nicht. Zumindest nicht in seiner jetzigen Form, und das ist …«
Das Aufheulen des Motors übertönte den Rest ihrer Worte. Und ehe er dazu kam, über ihre mysteriöse, unheilschwangere Bemerkung nachzudenken, drückte Junior das Gaspedal bis zum Boden durch und fegte mit der Todesverachtung der Jugend die Berrenrather Straße hinunter, als gäbe es kein Tempolimit, keinen Verkehr, keine Vernunft.
Markesch schloß die Augen und entschied, demnächst zu Fuß zu gehen.
Falls er die Fahrt überlebte.
10
Der Garten war ein Meisterwerk der Landschaftsarchitektur, ein blühendes, exotisches Kleinod wie der Babelsberger Schloßpark oder der Park von Muskau, als hätte Fürst Pückler nach hundertzwanzig Jahren geduldiger Verwesung seine Grabpyramide in Branitz verlassen, um sich im noblen Kölner Villenvorort Hahnwald posthum ein letztes Denkmal zu setzen: Mit künstlerisch gestutzten Büschen und Hecken wie barocke Skulpturen, Blumenrabatten in milden Pastelltönen und einem japanisch anmutenden Pavillon über einem künstlichen Teich, der von marmornen Wasserspeiern in Gestalt mittelalterlicher Fabelwesen gespeist wurde. Selbst die Villa und die hohe Mauer um das Anwesen waren in die Gestaltung miteinbezogen, efeubewachsen und blütengeschmückt, so daß der Übergang zwischen Haus und Garten verschwamm und man sich in eine andere Welt versetzt fühlte, in der die Natur noch
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