Eine Koelner Karriere
Biergärten getrieben, moderne Arenen des Geschlechterkampfes, wo sich die Gladiatoren mit Kölsch und Schnäpsen dopten, ehe sie auf dem Feld der Liebe die letzte Ruhestätte fanden: in Ketten, made in Paradise.
Markesch ließ sich von Einstein Junior durch die abendlichen Straßen chauffieren, desillusioniert und deprimiert, vorbei an hellen Lichtern, glücklichen Gesichtern und gläserüberladenen Tischen, die seine Depression nur noch verstärkten. Er haderte mit sich, dem Schicksal, der Welt.
Junior respektierte seine gedrückte Stimmung und zeigte sogar genug Einfühlungsvermögen, die Tachonadel unter der 100-km/h-Marke zu halten, aber vielleicht fürchtete er auch nur, daß ihn im Fall eines Unfalls die kriminellen Orthopäden erwischten und beider Füße beraubten. Aus den wattstarken Türlautsprechern der teuren Autostereoanlage drangen die stündlichen Horrornachrichten von Radio Köln, Zehn-Sekunden-Meldungen über Völkermord, Krieg und Umweltkatastrophen, wie ein Rapsong über das Ende der Welt.
Aber natürlich existierte die Welt weiter, nahm das Leben seinen Lauf, und die einzigen Weltuntergänge spielten sich im Privaten ab.
Markesch hatte seinen Auftrag fast erfüllt, die dringend benötigten zehntausend Deutschmark Erfolgsprämie so gut wie in der Tasche, doch er war von Freude oder Triumph so weit entfernt wie Junior von der Verkehrssicherheit.
Also steckte Corinne von Bohlen hinter der Fotofalle.
Corinne, die so schutzlos und zerbrechlich wirkte, daß es selbst sein versteinertes Herz gerührt hatte, Corinne, die seit einem Jahr nur für die Trauer um ihren toten Mann lebte, ohne Geld, ohne Freunde und ohne Rachegelüste, nur reich an Zeit und Erinnerungen.
Und vor allem reich an Lügen.
Markesch mußte der Wahrheit ins Gesicht sehen: Er hatte sich wie ein Anfänger täuschen lassen. Die Fotos an den Wänden, die selbstgeknipsten Portraitstudien – sie hatten seinen Verdacht erregt, aber er war ihm nicht nachgegangen. Aus Rücksichtnahme auf die Gefühle dieser vom Schicksal so sehr geschlagenen Frau, aus dem Irrglauben heraus, daß jemand, der beim Fünfuhrtee mit den Toten sprach, wohl kaum genügend kriminelle Energie für einen sorgfältig geplanten Rachefeldzug aufbringen konnte.
Aber selbst das war nur die halbe Wahrheit.
Denn Corinne hatte ihn nur täuschen können, weil er sich täuschen lassen wollte. Weil sie ihm gefallen, er mehr auf seine Hormone als auf seinen Verstand gehört hatte.
Der lange Arm des Frühlings hatte ihn also doch erwischt.
Niedergeschlagen blickte er aus dem Fenster, wo der Ehrenfeldgürtel vorbeizog und in den Melatengürtel überging, rechts gesäumt vom Industriegelände Braunsfeld, links vom Melatenfriedhof, beides zu dieser Stunde gleichermaßen still und tot.
Er sehnte sich nach einem großen Scotch und einem Augenblick des Friedens, obwohl er wußte, daß Frieden genau das war, was er im Café Regenbogen nicht finden würde, und das nicht nur wegen der zweifelhaften Renovierungsarbeiten. Er mußte Walter Kress anrufen und ihn über seine Ermittlungsergebnisse informieren, ehe er gegen Corinne von Bohlen weitere Schritte unternahm. Die frohe Botschaft würde den panikerfüllten Stadtrat beruhigen und ihn hoffentlich dazu veranlassen, ohne jedes Zögern einen fetten Scheck auszustellen.
Und dann … ein Besuch bei Corinne, ob nun mit oder ohne Kress, um ihr die Fotos und die Negative abzunehmen.
Und um Antworten auf einige ungeklärte Fragen zu bekommen.
Zum Beispiel, wie sie von den Nippeser Latexwonnen des verhaßten Stadtrats erfahren oder was sie Astrid Pankrath für ihre Komplizenschaft gezahlt hatte. Karl-Heinz Zosch schien mit der Sache tatsächlich nichts zu tun zu haben. Daß Corinne ausgerechnet seine Firma mit dem Umzug beauftragt hatte, war offenbar nur Zufall gewesen – ein glücklicher Zufall.
Sie bogen in die Aachener und anschließend in die Innere Kanalstraße, passierten die Universität und waren in Sülz. Kurz darauf hielten sie vor den verklebten Fenstern des Regenbogens; durch die blaue Plastikfolie fiel fahlblaues Licht auf die Straße. Schatten zeichneten sich im Inneren ab, geschäftig hin und her eilend, unermüdlich renovierend.
Markesch atmete auf.
Er hatte schon befürchtet, vor verschlossener Tür zu stehen und Scotch und Telefon eines anderen Lokals bemühen zu müssen. Immerhin gab es doch noch einige Dinge, auf die Verlaß war. Er zahlte die Taxirechnung, gab Einstein Junior ein großzügiges Trinkgeld und
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