Eine königliche Affäre
Arm.
„Okay …“, versprach Cassie und flüchtete ins Haus. Erst hinter der Tür fiel ihr ein, dass Sebastian ihr eigentlich kategorisch verboten hatte, irgendjemand von ihrem Treffen zu erzählen. War er etwa ähnlich verwirrt wie sie nach diesem Abend?
„Wie geht es ihm?“, fragte sie flüsternd, als ihr eine verschlafene Angelica in der dämmerigen Diele der kleinen Mietwohnung entgegentaumelte. „Alles in Ordnung?“
Ihre Freundin nickte und gähnte herzhaft. „Er ist in dem Moment wieder eingeschlafen, als ich die SMS von meinem Handy losgeschickt habe. Ich hoffe, ich habe dich nicht bei etwas Wichtigen gestört?“
Cassie senkte den Blick. „Nein, absolut nicht …“, murmelte sie und verschwand in Sams Zimmer.
Am nächsten Tag waren die Kinder im Waisenhaus völlig außer sich wegen der bevorstehenden Party im Palast. Cassie und ihre Kolleginnen, Sophie und Kara, hatten alle Hände voll zu tun, die Kleineren nach dem Essen zu ihrem Mittagsschlaf zu überreden und die Größeren zu beschäftigen, bis es so weit war.
Sam war als Einziger unnatürlich ruhig und in sich gekehrt.
Zu ruhig, dachte Cassie mit nagendem Schuldgefühl. Ob sein Albtraum in der letzten Nacht das Ergebnis der aufregenden letzten Woche war? Gegen Morgen hatte er wieder sein Bett eingenässt und versucht, es vor seiner Mutter zu verbergen, indem er ein Handtuch über den feuchten Fleck drapierte. Cassie, die es zufällig mitbekam, nahm ihren kleinen Sohn in die Arme und beruhigte ihn, dass solche Unfälle auch anderen passierten und man sich dafür absolut nicht zu schämen brauchte. Doch sie hatte nicht das Gefühl, dass ihre Botschaft tatsächlich ankam.
Jetzt stand Sam mit den anderen Kindern in der Warteschlange vor dem Bus, der sie in den Palast bringen sollte. Die steile kleine Sorgenfalte auf der Stirn ließ ihn seinem Vater noch mehr ähneln als ohnehin schon.
Cassie schloss sekundenlang die Augen und betete stumm, dass alles gut verlaufen möge und sie und ihr Sohn in wenigen Stunden wieder sicher in ihrer Wohnung sitzen und aufatmen konnten …
So laut und aufgeregt die kleinen Partygäste sich noch während der Fahrt gebärdeten, so stumm und ehrfürchtig liefen sie im Gänsemarsch hinter dem livrierten Diener her, der sie durch die langen Gänge in Richtung des Festsaales geleitete. Dort bestaunten sie die prächtige Dekoration aus Hunderten von Luftballons, bunten Girlanden und die üppig gedeckten Tische, beladen mit köstlichen Kuchen, Eiscreme, Schokolade und anderen Naschereien.
Als Nächstes erschien ein wichtig aussehender Mann in Uniform, der ihnen den Prinzregenten vorstellen wollte. Cassie hielt unwillkürlich den Atem an, als Sebastian den Raum betrat und seine volle Aufmerksamkeit gleich seinen kleinen Gästen schenkte. Sie musste zugeben, dass er wirklich sein Bestes tat, die aufgeregten Kinder zu entspannen.
Jedem von ihnen reichte er die Hand und plauderte ein bisschen, ehe er weiterging. Je näher er dabei Sam kam, desto schneller schlug Cassies Herz. Im direkten Vergleich erschien ihr die Ähnlichkeit zwischen Vater und Sohn so frappierend, dass es ihr unmöglich erschien, ihr Geheimnis noch länger wahren zu können.
„Und wie heißt du?“, fragte Sebastian jetzt den Jungen direkt neben Sam.
„Ich bin Alexis“, erklärte der Achtjährige ohne Scheu. „Und das hier ist Sam. Ich werde nachher sein Geschenk für ihn öffnen. Er ist noch zu klein dazu und zu schüchtern. Manchmal macht er sogar noch in die Hose.“
Cassie spürte, wie sich ihr Herz für den armen Sam krümmte, auf dessen Wangen hektische rote Flecken erschienen.
„Hallo, Sam“, begrüßte Sebastian ihn lächelnd. „Ich freue mich, dich endlich kennenzulernen. Wie es aussieht, haben wir beide etwas gemeinsam.“
Sam hob zögernd den gesenkten Kopf. „Wir beide …?“
„Ja, ich male auch sehr gern und habe mich ganz doll über dein Bild gefreut.“
„Ehrlich?“
„Und ob! Aber du bist viel besser, als ich es in deinem Alter war. Dafür war ich damals viel schüchterner als du. Ich habe mich sogar manchmal versteckt, wenn ich mit fremden Leuten reden sollte. Doch später habe ich mich daran gewöhnt. Und inzwischen gefällt es mir sogar. Ich wette, das wird dir genauso gehen.“
Das zaghafte Leuchten in den dunklen Augen ihres Sohnes machte Cassies Kehle ganz eng. Am liebsten hätte sie Sebastian augenblicklich in die Arme geschlossen und ihm für das Geschick gedankt, mit dem er ihren … seinen kleinen Sohn
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