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Eine Krone für Alexander (German Edition)

Eine Krone für Alexander (German Edition)

Titel: Eine Krone für Alexander (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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Gefangenen ins Gesicht. „Demosthenes!“, brüllte er immer wieder.
„Wo bist du? Komm raus, du Feigling!“
    Die Gefangenen hockten auf dem Boden, in Reihen aneinandergekettet,
und starrten aus müden Augen auf das befremdliche Schauspiel.
    „Vater, lass ihn, er ist es nicht wert!“
    „Demosthenes, wo versteckst du dich, du erbärmlicher Feigling?
Hat es dir endlich die Sprache verschlagen? Der große Redner, der alle an der
Nase herumführt! Und ich, der dumme Barbar – trotzdem habe ich euch aufs Kreuz
gelegt! Jagt sie nach Makedonien! Wer ist jetzt der
Dummkopf?“
    „Demosthenes ist nicht hier!“, ertönte eine Stimme aus den
Reihen der Gefangenen. „Er ist kein Feigling! Sondern ein Patriot, der alles
getan hat, um sein Vaterland vor Barbaren wie dir zu schützen!“
    Philipp fuhr herum. „Wer war das?“ Er leuchtete mit seiner
Fackel in den Pferch, doch das Licht reichte nicht weit. „Zeig dich, oder bist
du genauso feige wie Demosthenes?“
    Ein einzelner Gefangener versuchte aufzustehen, doch die
Ketten, die ihn an seine sitzenden Nachbarn fesselten, zwangen ihn zu einer
halb gebückten Haltung. „Ich bin Demades, Sohn des Demeas aus Paiania.“
    „Einer von Demosthenes’ Lakaien! Bist du zufrieden mit dem,
was ihr angerichtet habt? Wegen euch liegen dort auf dem Feld tausend eurer Mitbürger,
alle tot. Die Eingeweide quellen ihnen aus den Bäuchen, die Fliegen sitzen in
Schwärmen darauf. Ihr Athener! So kultiviert, so gebildet! Die großen Helden
aus den Perserkriegen! Und was seid ihr jetzt? Eine Bande von degenerierten
Großkotzen!“
    Demades richtete sich so weit auf, wie seine Ketten es zuließen.
„Schämst du dich nicht? Du hältst dich für den neuen Agamemnon, aber du bist
nichts weiter als ein jämmerlicher Thersites! Demosthenes hatte recht: Du bist
ein großmäuliger, besoffener Barbar! Ganz Griechenland lacht über dich!“
    Eine fast unheimliche Stille breitete sich aus. Niemand
wagte einen Laut, nur der nächtliche Wind war zu hören, der über die Ebene
rauschte und die Ketten der Gefangenen zum Klirren brachte. Thersites – der
abstoßende Antiheld aus der Ilias, feige, dumm, gehässig. Das Gegenteil von
allem, was Helden wie Agamemnon und Achilleus ausmachte.
    Philipp starrte Demades an, dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Als wenn er von einem Augenblick auf den anderen nüchtern wird, dachte
Alexander. Ruhig nahm Philipp den Kranz von seinem Kopf und beförderte ihn mit
einer fast eleganten Bewegung des Handgelenks zu Boden. „Genug gefeiert.“ Seine
Stimme war sicher und beherrscht, das Gesicht noch immer gerötet, aber
unverzerrt; nichts erinnerte mehr an den betrunkenen Randalierer, der er vor
einem Augenblick noch gewesen war.
    „Das Siegesfest ist beendet! In einer halben Stunde hat im
Lager Nachtruhe zu herrschen! Morgen haben wir viel zu tun.“
    Damit drehte er sich um und spazierte davon, als sei nichts
Besonderes vorgefallen.
    Die Kadmeia mit ihren legendären sieben Toren war eine
Festung aus uralter Zeit. In diesem Gemäuer hatte schon Kadmos geherrscht, der
erste König von Theben. Nachdem seine Schwester Europa von Zeus in Gestalt
eines Stieres entführt worden war, war Kadmos auf der Suche nach ihr bis nach
Boiotien gekommen. Dort hatte er eine Stadt gegründet, die seinen Namen trug
und später Theben genannt wurde. Semele, die Mutter des Dionysos, Ödipus, der
seinen Vater getötet und seine Mutter geheiratet hatte, Antigone, die
göttliches über menschliches Gesetz gestellt hatte und zur Strafe lebendig
begraben worden war – sie alle hatten in diesen wuchtigen Mauern gelebt und
gelitten.
    Nach der Schlacht bei Chaironeia war den Thebanern keine
Wahl mehr geblieben: Sie öffneten dem Sieger die Tore und kapitulierten
bedingungslos. Philipp ließ sie teuer bezahlen für den Fehler, im falschen
Augenblick die Seiten gewechselt zu haben. Die Anhänger der antimakedonischen
Partei wurden aus der Stadt verbannt, und in die Kadmeia zog eine makedonische
Besatzung ein.
    In Theben war auch Herakles geboren worden, der Ahnherr des
makedonischen Königshauses. Noch immer war hier sein Geburtshaus zu sehen.
Alexander besuchte es natürlich, zusammen mit Hephaistion, danach gingen sie
hinaus zum Heiligtum des Iolaos, des treuen Gefährten des Herakles.
    „Ich verstehe meinen Vater nicht“, sagte Alexander, als sie
sich dem heiligen Bezirk näherten. „Eben hat er den größten Sieg seit den Perserkriegen
errungen. Ganz Griechenland blickt auf ihn

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