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Eine Krone für Alexander (German Edition)

Eine Krone für Alexander (German Edition)

Titel: Eine Krone für Alexander (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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als den neuen Agamemnon. Und er? Er
führt sich auf wie der betrunkene Barbar, als den ihn Demosthenes immer hingestellt
hat. Was für eine Blamage!“
    „Ich dachte immer, du bewunderst ihn“, erwiderte Hephaistion.
    „Das habe ich getan, seit ich denken kann. Philipp ist ohne
Zweifel der bedeutendste Mann in Griechenland seit vielen Generationen.“
    „Eben. Angesichts seiner großen Leistungen, kannst du ihm da
nicht einen kurzen Augenblick der Schwäche verzeihen?“
    „Nein, im Gegenteil: Je mehr jemand leistet, je höher er
steigt, umso erbärmlicher ist es, wenn er sich selbst nicht in der Gewalt hat.“
    „Hm.“
    „Was ist? Was denkst du?“
    „Ich musste nur gerade an diesen alten Mythos denken, über
Herakles. Wie er im Wahn seine Frau und seine Kinder tötete, ohne sie zu
erkennen …“
    „Ich kenne die Geschichte“, sagte Alexander abweisend. Sie
hatte ihn schon immer mit Unbehagen, ja mit Schrecken erfüllt. Als Kind hatte
er nicht glauben wollen, dass sein Ahnherr und Vorbild zu einer so schrecklichen
Tat fähig gewesen war.
    „Ich meine nur“, fuhr Hephaistion fort, „wenn sogar ein so
großer Held wie Herakles die Kontrolle über sich selbst verlieren konnte – kann
das einem gewöhnlichen Menschen dann nicht erst recht passieren?“
    Sie hatten den Eingang zum heiligen Bezirk erreicht. Alexander
blieb stehen. „Herakles war wahnsinnig, und sein Wahn war die Folge eines göttlichen
Fluchs. Gegen die Götter ist jeder Mensch machtlos. Philipp dagegen war einfach
nur betrunken.“
    „Vielleicht war es nicht nur der Wein“, überlegte
Hephaistion. „Seit zwanzig Jahren kämpft der König nach allen Seiten, gegen die
Barbaren im Norden und die Griechen im Süden, gegen Feinde im eigenen Land,
gegen Prätendenten und Verschwörer. Er trägt die Verantwortung für viele
Tausend Menschen, ein ganzes Volk. Stets sind aller Augen auf ihn gerichtet,
verfolgen alle seine Schritte, warten nur darauf, dass er einen Fehler macht.
Die Anspannung, unter der er steht, muss schrecklich sein. Ist es da nicht
erklärlich, wenn er sich einen winzigen Augenblick lang vergisst? Es ist bestimmt
nicht leicht, König zu sein.“
    „Trotzdem, wie er sich hat gehenlassen, ist unverzeihlich,
gerade für einen König. Ausgerechnet im Augenblick des Triumphs die Macht über
sich selbst zu verlieren … Ich hoffe, ich werde nie wie mein Vater.“
    „Die Anspannung, der ständige Kampf … das alles muss
Auswirkungen auf einen Menschen haben. Fast wie böse Geister, die von einem
Menschen Besitz ergreifen und stärker und stärker werden ...“
    Plötzlich trat jemand zwischen den Säulen des Eingangs hervor.
Es war Pausanias, den sie beide noch gut aus Mieza kannten. Jetzt war er einer
der Königsjungen, die in der Umgebung des Königs Dienst taten, und außerdem,
wie es hieß, sein neuester Favorit. (Philipps Verschleiß an jungen Männern war
fast so groß wie der an Frauen.) Der Junge wurde rot im Gesicht, er wich ihren
Blicken aus und murmelte einen kaum verständlichen Gruß, während er sich an
ihnen vorbeidrückte.
    Hephaistion starrte ihm verwundert nach. „Was wollte der
denn hier?“
    „Den Heros ehren und ihm opfern, so wie wir. Ist doch egal.“
Alexander zuckte die Achseln, dann nahm er Hephaistions Arm. „Hör zu,
vielleicht ist etwas dran an dem, was du sagst. König zu sein, so große
Verantwortung zu tragen, ständig nach allen Seiten kämpfen zu müssen – bestimmt
verändert das einen Menschen. Aber jeder hat die Wahl, ob er gegen diese bösen
Geister, wie du sie nennst, ankämpfen will. Und es gibt drei Gaben, die ihm dabei
helfen: die Weisheit, das Richtige zu erkennen, den Mut, es zu tun, und den
Willen dazu. Das hat mir einmal ausgerechnet eine alte Frau erklärt. Sie meinte,
wir können es aus den Geschichten der alten Helden lernen.“
    Die Seherin der Kabiren. Seine Mutter hatte ihn ihr vorgestellt,
am Abend, bevor er nach Mieza aufgebrochen war und seine Kindheit für immer
hinter sich gelassen hatte. Sie war eigens aus Samothrake gekommen. Olympias
hatte gewollt, dass sie ihm seine Bestimmung enthüllte, doch sie hatte sich
geweigert. Stattdessen wollte sie mit ihm ausgerechnet über Helden sprechen.
Erst jetzt glaubte er zu verstehen, was sie gemeint hatte.
    Schweigend gingen sie durch das Tor und dann zwischen den Bäumen,
Denkmälern und Weihegaben hindurch. Als sie beim Altar des Iolaos angekommen
waren, legte Hephaistion die mitgebrachten Opferkuchen auf den Stein,

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