Eine Krone für Alexander (German Edition)
dem mein Vater so ruchlos ermordet wurde, ritt ich zu
seiner Rechten. Ihr alle habt es mit eigenen Augen gesehen. Hätte er das
geduldet, wenn er mich nicht als seinen rechtmäßigen Erben betrachtet hätte?
Oder wenn er den geringsten Zweifel daran gehabt hätte, dass ich sein Sohn
bin?“
Während er fieberhaft nach Argumenten suchte, kam ihm etwas
in den Sinn, was seine Großmutter Eurydika ihm vor vielen Jahren gesagt hatte,
kurz bevor sie starb. Vor zwei Tagen, während des Umzugs, hatte er ihre Statue
beim Tempel der Eukleia gesehen, vielleicht war das der Grund, warum er sich
erinnerte.
„Falls jemand finden sollte, dass ich Philipp nicht ähnlich
sehe, dann soll er sich an König Alexander erinnern, seinen ältesten Bruder.
Ich trage seinen Namen. Diejenigen von euch, die ihn kannten, wissen, wie
ähnlich ich ihm sehe.“
Andromenes brüllte: „Ich war ein Altersgenosse Alexanders und
ein guter Freund von ihm. Immer, wenn ich Philipps Sohn in den letzten Jahren
sah, war ich erstaunt, wie sehr er mich an ihn erinnert.“
„Er hat recht“, rief ein anderer. „Ich war an dem Tag dabei,
an dem König Alexander ermordet wurde. Er führte bei den Xanthika den Kriegstanz
an. Niemals werde ich vergessen, wie die Mörder aus den Reihen der Tanzenden
hervorstürmten und ihn niederstachen. Sein Neffe ist ihm wie aus dem Gesicht geschnitten.“
Doch Amyntas gab sich noch nicht geschlagen, im Gegenteil,
er hatte gerade erst angefangen.
„Lasst euch nicht ablenken durch die Erinnerung an einen
längst vergangenen Königsmord – denkt lieber an den, der eben erst begangen
wurde, direkt vor euren Augen. Glaubt hier irgendjemand, dass Pausanias allein
gehandelt hat? Wie vorteilhaft, dass er tot ist und uns nicht mehr sagen kann,
wer ihn angestiftet hat! Und wer sind die Kerle, die ihn zum Schweigen brachten?
Alles enge Freunde von Alexander!“ Das Gemurmel der Menge schwoll wieder an.
Amyntas grinste und bleckte die Zähne. „Ihr wollt wissen, wer hinter dem feigen
Mord an unserem König steckt? Dann überlegt, wer am meisten davon profitiert!
Wer, wenn nicht Alexander? Er und seine Mutter, die Hexe und Giftmischerin, die
nicht einmal davor zurückschreckte, Pausanias’ Leiche mit einen goldenen Kranz
zu ehren!“
Alexander zog sein Schwert. Es tat es rein instinktiv,
sodass es ihm erst bewusst wurde, als er schon das kalte Metall des Griffs
zwischen den Fingern fühlte. Nur ganz von fern drang das wütende Geschrei der
Menge zu ihm, zusammen mit einem dumpfen Pochen, das vielleicht sein eigener
Pulsschlag war. Geradezu übermächtig war der Drang, dem Verleumder seine Waffe
in den Leib zu rammen, ihm das Wolfsgrinsen vom Gesicht zu wischen. Amyntas stand
mit von Hass verzerrtem Gesicht da, regungslos, doch die Hand auf dem
Schwertgriff, bereit, die Waffe zu ziehen, wenn Alexander ihn angriff.
Das ist es, was er will, dachte
Alexander in plötzlicher Klarheit. Er will, dass ich ihn vor
aller Augen angreife – und alle mich für schuldig halten.
Plötzlich trat jemand zwischen sie. Zu seinem grenzenlosen
Erstaunen erkannte Alexander das Gesicht von Amyntas – des anderen Amyntas, seines
Cousins und Konkurrenten. Während Geschrei durch die Menge brauste wie ein
Orkan, hob Amyntas die Hand. Sofort legte sich der Tumult. Alle wollten hören,
was er zu sagen hatte.
„Hört nicht auf das, was mein Freund eben sagte!“, rief er.
Seine Stimme klang ein wenig dünn, er war noch nie ein guter Redner gewesen.
Dennoch hörten ihn an diesem Tag alle. „Seine haltlosen Unterstellungen lassen
sich nur dadurch erklären, dass er mir helfen will. Seit unserer Kindheit ist
er mein bester Freund, nur aus Treue zu mir hat er sich hinreißen lassen. Aber
so will ich nicht König werden, Amyntas! Nicht auf diese Weise!“
Er wandte sich erst seinem Freund zu, der mit fassungslosem
Gesicht dastand, dann Alexander. „Alexander, du und ich, wir beide haben uns
nie gut verstanden. Aber von einem bin ich überzeugt: Niemals wärest du zu dem
fähig, was mein irregeleiteter Freund dir unterstellt hat! Steck dein Schwert
weg, und dann vertrete deine Sache in Ruhe, wie es dein gutes Recht ist.“
Amyntas nahm seinen noch immer fassungslosen Freund am Arm
und zog sich mit ihm in den Hintergrund zurück. Schwer atmend richtete
Alexander seinen Blick auf die Menge, die erwartungsvoll vor ihm stand. Es war
so still, dass man eine Nähnadel hätte fallen hören können. Er atmete tief ein.
„Wer auch immer den Mord an meinem
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