Eine Krone für Alexander (German Edition)
Terrain rutschig vom ersten Herbstregen. Die Kundschafter
bildeten die Vorhut und machten die günstigste Route ausfindig. Nach ihnen
kamen die Ingenieure, zusammen mit einem Trupp Bauarbeiter, die dort, wo es
nicht mehr anders weiterging, Stufen in das Gestein schlugen. Die Reiter saßen
ab und führten ihre verängstigten Tiere die steinigen Pfade bergauf. So kam die
Kolonne überraschend zügig voran, und ehe die Thessalier im Tal bemerkten, was
vorging, stand schon die halbe makedonische Armee in ihrem Rücken.
Sofort gaben die Thessalier sich kooperativ. Aus allen ihren
Städten eilten Abordnungen herbei, nicht nur aus dem traditionell freundlich
gesinnten Larissa, sondern auch aus Pherai, Krannon und Pharsalos. Alexander
verteilte Höflichkeiten, machte Versprechungen und berief sich auf verwandtschaftliche
Bande – sein Ahnherr Achilleus war Thessalier gewesen. Schließlich wählten ihn
die Thessalier wie schon seinen Vater zum Archon ihres Bundes.
Während die Armee zügig weiter nach Süden vorrückte, trafen
Gesandtschaften aus den Stadtstaaten in Reichweite ein und beteuerten beflissen
ihre Bündnistreue. Auch aus Ambrakia erschien eine: Die Sache mit der
vertriebenen Garnison war natürlich ein Missverständnis gewesen, die neue
demokratische Regierung, die die von Philipp eingesetzten Oligarchen vertrieben
hatte, war selbstverständlich bereit, seinen Sohn und Nachfolger als Hegemon
anzuerkennen.
Alexander überlegte nicht lange. Ambrakia lag weit ab von
seinem Weg, und er hatte es eilig: Er wollte so schnell wie möglich die
Thermopylen erreichen, ehe jemand auf die Idee kam, den Engpass zu sperren und
ihm den Weg nach Süden zu verlegen. Hinzu kam, dass sich im dortigen Demeter-Heiligtum
gerade der Rat der Amphiktyonen zu seiner turnusmäßigen Herbstsitzung
versammelte, und er beabsichtigte, den Delegierten eine Überraschung zu
bereiten. Also erkannte Alexander kurzerhand die neue Regierung von Ambrakia an
und behauptete einfach, er selbst habe vorgehabt, dort die Demokratie
einzuführen. Nur um die Wiederaufnahme der Garnison kamen die Ambrakier nicht
herum.
„Das hier“, sagte Proteas und lehnte
sich entspannt im heißen Wasser zurück, „ist also der Ort, an dem Leonidas und
seine dreihundert Helden gefallen sind.“
„Was?“, fragte Harpalos spöttisch. „Etwa hier in diesem
Planschbecken?“
„Natürlich nicht! Ich meine die Thermopylen allgemein. Ich
wollte nur sagen, dass Leonidas und seine Spartiaten hier die Freiheit
Griechenlands gegen Xerxes und seine Barbarenhorden verteidigt haben.“
Alexander schloss die Augen und ließ sich noch ein Stück
tiefer ins warme Wasser gleiten. Alles verlief planmäßig. Seine Armee hatte die
Thermopylen besetzt, ohne dort auch nur auf einen einzigen Bewaffneten zu
stoßen. Während das Synhedrion sich noch von seiner Überraschung erholte, hatte
er mit seinen Freunden den Hügel besichtigt, auf dem Leonidas und seine
Dreihundert sich gegen die persische Übermacht gestemmt hatten, und auch den
steinernen Löwen, der als Ehrenmal für die Gefallenen errichtet worden war.
Danach waren sie zu den heißen Quellen geritten, denen die Thermopylen ihren
Namen verdankten, und alle zusammen in eines der Badebecken gesprungen.
Das Wasser, in dem sie sich aalten, war von einem intensiven
Blau. Wenn man bereit war, über den etwas strengen Geruch hinwegzusehen, konnte
man sich hier wunderbar entspannen. Schon bald hatten sie das anfängliche
Geplansche und Gespritze sein lassen und sich stattdessen bequem zurückgelegt.
Schwaden von Dampf stiegen aus dem Wasser und schlugen sich als glänzender Film
auf Gesichtern und Haaren nieder. Schläfrigkeit hatte sich ausgebreitet, ehe
Proteas das Schweigen gebrochen hatte.
„Ihr könnt sagen, was ihr wollt, aber ich finde die Thermopylen
längst nicht so beeindruckend, wie ich erwartet habe“, plapperte er weiter.
„Komm drauf an, was du dir vorgestellt hast“, erwiderte
Nearchos gähnend und verschränkte die Hände hinter dem Kopf.
Alexanders Gedanken wanderten zurück in seine Kindheit, als
sein Lehrer Leonidas ihm bei jeder sich bietenden Gelegenheit von den
Heldentaten seines berühmten Namensvetters erzählt hatte. Dann hatte Alexander
sich immer einen schmalen Pfad vorgestellt, der sich an den schroffen Klippen
entlangwand, halb überspült von den wild tobenden Fluten der See. Tatsächlich
war das Terrain zwischen dem Meer und dem Kallidromon-Gebirge weitläufiger, als
er erwartet hatte; nur an
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