Eine Krone für Alexander (German Edition)
du
ihn nennen?“
„Er hat einen Stierkopf als Brandzeichen auf der Schulter,
und so nenne ich ihn: Bukephalos.“
Sie standen noch eine Zeit lang miteinander auf der Brücke
und sahen in die reißenden, glasklaren Fluten, bis ein Ochsengespann
heranrumpelte und der Fuhrmann sich beschwerte, dass sie die Brücke
blockierten.
24
Von seinen Besuchen bei Artabazos kannte Alexander auch dessen
Tochter Barsine. Sie war ein paar Jahre älter als er und sprach nicht nur
Griechisch wie ihre Muttersprache, sondern konnte auch lesen und schreiben und
hatte darüber hinaus viele Bücher gelesen. Hin und wieder kam sie in den
Palast, um Kynna zu besuchen. Audata hatte nichts dagegen, dass ihre Tochter
mit einer Barbarin befreundet war; immerhin wurde ihr selbst ständig vorgehalten,
eine zu sein.
„Eine Frechheit, dass die Griechen uns Perser immer als
Barbaren hinstellen“, beschwerte sich Barsine eines Tages. Sie war ein hübsches
Mädchen mit rötlich braunen Haaren, die ihr in einem dicken Zopf in den Rücken
fielen.
Alexander versuchte, Barsine zu beschwichtigen. „Damit ist
doch nur gemeint, dass ihr keine Griechen seid.“
„Eben nicht! Wenn man von Barbaren spricht, dann stellt man
sich unzivilisierte Wilde vor wie die Thraker oder die Skythen.“
„Oder die Illyrer“, warf Kynna mit sarkastischem Grinsen
ein. Zu dritt saßen sie im Palastgarten unter einem Baum, wo sie Schutz vor der
sengenden Sonne gesucht hatten.
„Wir Perser sind keine Barbaren!“ Energisch warf Barsine ihren
Zopf nach hinten. Ihre Augen waren von einem klaren Grün und erinnerten Alexander
ein bisschen an die von Nikesipolis. „Im Gegenteil, wir verfügen über die
älteste und großartigste Zivilisation der Welt! Wenn schon, dann seid ihr die
Barbaren, nicht wir.“
Alexander riss seinen Blick von Barsines Augen los. „Wir verfügen
ebenfalls über eine alte und großartige Zivilisation! Unsere Vorfahren haben im
Trojanischen Krieg gekämpft, lange bevor es überhaupt ein persisches Reich gab.“
Dass Barsine die Griechen für Barbaren hielt, war absurd und lachhaft. „Wenn
überhaupt, dann sind es die Ägypter, die die älteste Zivilisation der Welt
haben.“
„Von mir aus“, erwiderte Barsine schnippisch. „Aber Tatsache
ist, dass die Griechen uns Perser immer als die Bösen hinstellen. Sie selbst
sind angeblich alle edle Freiheitskämpfer, die mit unvergleichlicher Tapferkeit
gegen die grausamen Barbarenhorden gekämpft haben!“
Kynna mischte sich wieder ein. „Tatsache ist aber auch, dass
Xerxes Europa überfallen hat, mit einer Million Kriegern und tausend Schiffen.
Sie haben ganz Griechenland in Schutt und Asche gelegt.“
„So schlimm, wie die Griechen immer tun, war es auch wieder
nicht. Außerdem muss man bedenken, dass es Xerxes um eine große Idee ging, die Idee
der Weltherrschaft. Er wollte die gesamte bewohnte Erde unter seiner Herrschaft
vereinen, nur im Himmel selbst sollte sein Reich eine Grenze finden.“
Trocken fragte Kynna: „Was soll an dieser Idee so großartig
sein?“
„Denk doch mal nach!“ Barsine hob den Zeigefinger, wie es
auch ihr Onkel Memnon gerne tat, wenn er über militärische Themen dozierte.
„Der Großkönig garantiert allen Menschen unter seiner Herrschaft Ordnung und
Sicherheit. Er lässt Straßen und Häfen bauen. Seine Richter sorgen für Gerechtigkeit
und seine Beamten für eine effiziente Verwaltung. Niemand muss Angst haben,
dass er überfallen und ausgeraubt wird. Überall herrscht Wohlstand. Wenn der
Großkönig über die ganze Welt gebietet, können alle Menschen in Frieden leben
und ihren Wohlstand genießen. Es würde keine Kriege mehr geben.“
Alexander erkannte sofort den Haken. „Aber um das zu erreichen,
müsste der Großkönig die Welt erst einmal erobern. Und dazu wären Kriege
nötig.“
„Das lässt sich leider nicht vermeiden.“
Kynna kniff die Augen zusammen. „Könnte es sein, dass du von
der Weltreichsidee nur begeistert bist, solange ihr Perser diejenigen seid, die
über die anderen Völker herrschen? Würdest du auch so denken, wenn ein anderes
Volk die Macht hätte und die Perser Untertanen wären wie alle anderen?“
Barsine sah ihre Freundin an, als sei sie verrückt geworden.
„Das ist absurd.“
„Was wäre, wenn die Griechen statt der Perser die Herrschaft
beanspruchen würden?“, legte Alexander nach. „Hättest du dann auch Verständnis
dafür, wenn wir bei euch in Asien einfallen und alles in Schutt und Asche legen
würden mit
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