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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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die andere brachte den Rasen wie gewünscht in Schuss. Selbst wenn man ihn sorgfältigst mähte, war er für heutige Verhältnisse struppig und uneben und sah nur unwesentlich besser als ein von Schafen abgegraster aus. Wie Mr. Marsham verfuhr, weiß man nicht genau, aber da er einen Gärtner beschäftigte, James Barker, musste der wahrscheinlich den Rasen mähen. Besonders viel machte das Grün sicher nicht her.
    Es besteht die ganz geringe Möglichkeit, dass Mr. Marsham ein aufregendes, ein wenig Furcht einflößendes Gerät zum Einsatz brachte: den Rasenmäher. Der Rasenmäher war die Erfindung eines Edwin Beard Budding, Vorarbeiter in einer Tuchfabrik in Stroud in Gloucestershire, der 1830, während er auf eine Maschine starrte, die Tuch schnitt, auf die Idee kam, den Schneideapparat auf die Seite zu legen, ihn in ein kleineres Gerät mit Rädern und Griff zu montieren und damit Rasen zu mähen. Wenn man bedenkt, dass bisher noch überhaupt niemand daran gedacht hatte, den Rasen zu mähen, war das ein erfrischend neues Konzept. Noch bemerkenswerter ist, dass Buddings Maschine, so wie sie schließlich patentiert wurde, in Aussehen und Funktion einem modernen Zylindermäher verblüffend ähnlich ist.
    Sie war nur in zwei wesentlichen Punkten anders. Erstens war sie immens schwer und schwierig zu handhaben. James Ferrabee & Co., die Hersteller von Buddings Rasenmäher, versprachen in einem Prospekt, dass die Besitzer des neuen Geräts — interessanterweise nicht die Gärtner oder sonstigen Arbeiter auf dem Anwesen, sondern die Besitzer selbst — feststellen würden, dass das Mähen damit ihnen »eine amüsante, nützliche, gesunde Betätigung« verschaffe, und zeigten Illustrationen von glücklichen Käufern, die das Teil wie einen Kinderwagen über eine glatte Fläche schoben. In Wirklichkeit erforderte es den Einsatz aller Körperkräfte. Damit es sich bewegte, musste der Benutzer nicht nur an einem schweren Griff ziehen und ihn dann fest umklammern, sondern das Gefährt auch mit aller Kraft vorwärtsschieben. Es am Ende jeden Gangs zu wenden war ohne Hilfe kaum möglich.
    Das zweite unübersehbare Problem von Buddings Rasenmäher bestand darin, dass er nicht sonderlich gleichmäßig schnitt. Weil er so schwer und schlecht ausbalanciert war, drehten sich die Klingen entweder hilflos über den Halmen oder verbissen sich grimmig in Wurzeln und Erdreich. Nur ab und zu hinterließen sie einen glatt gestutzten Rasen. Da das Gerät auch teuer war, verkaufte es sich nur in geringen Zahlen, und Budding und Ferrabee gingen bald getrennte Wege.
    Doch andere Hersteller übernahmen Buddings Idee und verbesserten sie langsam, aber sicher. Gusseisen ist extrem schwer, und das Hauptproblem war ja das Gewicht. Deshalb wurden viele der ersten mechanischen Rasenmäher so konstruiert, dass sie von Pferden gezogen wurden. Ein risikofreudiger Hersteller, die Ley- land Steam Power Company, griff eine von Jane Loudon 1827 zum ersten Mal geäußerte Idee auf und baute einen dampfbetriebenen Mäher, doch der erwies sich mit seinen mehr als eineinhalb Tonnen als solches Trumm, dass er kaum manövrierfähig war und man ständig Gefahr lief, dass er sich durch Zäune und Hecken fräste. *
    Nachdem man einfache Antriebsketten (die man von dem anderen Wunder der Zeit, dem Fahrrad, geborgt hatte) und den neuen leichten Stahl von Henry Bessemer benutzte, wurde der kleine Schiebemäher dann aber schließlich doch eine praktikable Alternative. Er war genau das, was man in kleinen Vorortgärten brauchte, und im letzten Viertel des neunzehnten Jahrhunderts aus dem Gartenleben nicht mehr wegzudenken. Selbst in den bescheidensten Gärtlein wurde ein schöner, perfekt geschnittener Rasen das Ideal. Unter anderem konnte man mit einem Rasen zeigen, dass man wohlhabend war und den Platz nicht brauchte, um Gemüse für den eigenen Verzehr zu ziehen.
    Budding hatte zwar die Anfangsidee geliefert, kümmerte sich dann aber nicht weiter um Rasenmäher, sondern erfand etwas anderes, das sich dauerhaft für die Menschheit als Wohltat erwies: den (verstellbaren) Universalschlüssel oder auf gut Deutsch: den Engländer.
    * Leyland verzichtete schließlich auf Dampf und Mähmaschinen und interessierte sich mehr für den neuen Verbrennungsmotor. 1982 schied die Firma als British Leyland, der Autohersteller, aus diesem Leben.
    Heute besteht Gärtnern für viele Leute nur aus der Rasenpflege. In den Vereinigten Staaten bedeckt Rasen mehr Landfläche — nämlich

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