Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
stellte sie in einer speziellen Glasvitrine aus. Leider schrumpfte der alte Korken in dem Scheinwerferlicht, mit dem die kostbare Flasche so kunstvoll beleuchtet wurde, und fiel mit einem 156 450-Dollar-Plumps in die Flasche. Noch Schlimmeres hatte das Schicksal für einen Château Margaux aus dem achtzehnten Jahrhundert parat, der angeblich einmal Thomas Jefferson gehörte und auf sehr präzise 519 750 Dollar geschätzt wurde. Als William Sokolin, ein Weinhändler, seine Erwerbung 1989 in einem NewYorker Restaurant stolz herzeigte, stieß er aus Versehen mit der Flasche gegen einen Servierwagen, und sie zerbrach, das heißt verwandelte in Sekundenschnelle die teuerste Flasche Wein der Welt in den teuersten Teppichfleck der Welt. Der Restaurantleiter tauchte einen Finger in das kostbare Nass und erklärte, es sei ohnehin nicht mehr trinkbar gewesen.
IV.
Während in der Industriellen Revolution wunderbare Maschinen entstanden, die das Leben der Menschen (und manchmal der Schädlinge) veränderten, hinkte die Wissenschaft vom Gartenbau furchtbar hinterher. Bis weit ins neunzehnte Jahrhundert hinein hatte man selbst von so etwas Grundsätzlichem wie dem, was Pflanzen zum Wachsen bringt, keinen blassen Schimmer. Alle wussten, dass man dem Boden Düngemittel zusetzen musste, aber warum das so war oder welche wie wirkten, darüber gingen die Meinungen weit auseinander. Bei einer Umfrage unter Bauern in den 1830er Jahren fand man heraus, dass sie mit Sägemehl, Federn, Meeressand, Heu, toten Fischen, Austernschalen, Wolllumpen, Asche, Hornspänen, Kohlenteer, Kreide, Gips, Baumwollsamen und vielem anderen düngten. Manches tat dem Boden wider Erwarten gut — schließlich waren die Bauern nicht dumm —, doch niemand konnte sagen, was am besten war oder in welchen Anteilen es am besten wirkte. Nur die Kurve der Ernteerträge, die verlief unaufhörlich nach unten.
Im Norden des Bundesstaats New York sank die Getreideernte von dreißig Scheffeln pro Morgen 1775 auf kaum ein Viertel davon ein halbes Jahrhundert später. Ein paar bedeutende Wissenschaftler, namentlich Nicholas-Théodore de Saussure in der Schweiz, Justus Liebig in Deutschland und Humphry Davy in England, stellten zwar fest, dass zwischen Stickstoff und Mineralien einerseits und der Fruchtbarkeit des Bodens andererseits ein Zusammenhang bestand, doch wie man Erstere in Letzteren bekam, wurde trotzdem heftig diskutiert, und fast überall warfen die Bauern hoffnungslos unwirksamen Mischmasch auf ihre Äcker.
Dann kam in den 1830er Jahren plötzlich das Wundermittel, auf das die Welt gewartet hatte: Guano —Vogelexkremente — wurde seit Inka-Zeiten in Peru benutzt, und seine Wirksamkeit war immer schon von Forschern und Reisenden erwähnt worden, doch erst jetzt kam jemand auf die Idee, ihn in Tüten zu schaufeln und den verzweifelten Farmern und Bauern auf der nördlichen Welthalbkugel zu verkaufen. Als diese ihn erst einmal für sich entdeckt hatten, konnten sie nicht genug kriegen. Eine Portion Guano gab den Feldern neue Kraft, und die Getreideernten stiegen oft bis zum Dreifachen. Die Welt wurde von einer regelrechten Guanomanie ergriffen. Die Vogelexkremente waren so segensreich, weil sie von Stickstoff, Phosphor und Kaliumnitrat nur so strotzten — zufällig auch den wesentlichen Bestandteilen des Schießpulvers. Außerdem wurde die Harnsäure im Guano von Farbenherstellern sehr geschätzt; er war also bald in vielen verschiedenen Branchen wertvoll. Plötzlich gab es fast nichts auf der Welt, das die Leute mehr begehrten.
Wo Seevögel nisteten, war er in Hülle und Fülle vorhanden. Viele Felseninseln waren regelrecht zugeklatscht damit, mehr als fünfzig Meter hohe Lagerstätten nicht unbekannt. Manche Pazifikinseln waren im Grunde nichts anderes als Guanohaufen. Der Guanohandel machte viele Leute sehr reich: Schroder's, die britische Handelsbank, gründete sich hauptsächlich darauf, und Peru verdiente dreißig Jahre lang praktisch seine gesamten Devisen damit, Vogeldreck einzutüten und einer dankbaren Welt zu verkaufen. 1879 zog Chile sogar gegen Peru und Bolivien in den Krieg wegen des unter anderem aus Guano gebildeten Salpeter. Der Kongress der Vereinigten Staaten verabschiedete den Guano Islands Act, ein Gesetz, das es US-Bürgern erlaubte, jede Insel mit Guanovorkommen, die sie fanden und die nicht schon anderen gehörte, für die USA in Besitz zu nehmen. Das waren bald mehr als fünfzig.
Während der Guano für die Landwirtschaft eine
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