Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
hatten.
Komisch, dass ausgerechnet die Herren, die sich damals eher in Zurückhaltung übten, nämlich die Rivalen der macaronis in Kleidungsfragen, die Dandys, heute als overdressed gelten. Früher war das Gegenteil der Fall. George »Beau« Brummell, der von 1778 bis 1840 lebte, war ein Paradebeispiel für die dezente Prachtentfaltung in der damaligen Männermode. Brummell war weder reich noch talentiert noch mit Intelligenz gesegnet. Aber er zog sich besser an als jemals ein Mann zuvor. Nicht farbenprächtiger oder extravaganter, sondern einfach nur sorgfältiger.
Er wurde in recht privilegierten Verhältnissen geboren, in der Downing Street, denn sein Vater war ein bewährter Ratgeber des Premierministers Lord North. Brummell besuchte Eton und kurz auch Oxford, nahm dann aber einen Posten im Regiment des Prinzen von Wales an, bei den Zehnten Husaren. Ob er Talent zum Schlachtenlenker hatte, weiß man nicht, er wurde nie auf die Probe gestellt; seine Hauptaufgabe war es, in der Uniform gut auszusehen und bei formalen Anlässen als Begleiter und Sekundant des Prinzen zu agieren. Der Prinz und er wurden enge Freunde.
Brummell wohnte in Mayfair, und sein Haus wurde einige Jahre lang zum Epizentrum eines der unfasslichsten Rituale in der Geschichte Londons. Jeden Nachmittag bewegte sich eine Prozession höchst reputierlicher erwachsener Männer auf Brummells Haus zu, um dort präsent zu sein, wenn er sich ankleidete. Zu denen, die regelmäßig durch Anwesenheit glänzten, gehörten der Prinz von Wales, drei Herzöge, ein Marquis, zwei Grafen und der Dramatiker Richard Brinsley Sheridan. Sie saßen da und beobachteten in ehrfurchtsvollem Schweigen, wie Brummell sein tägliches Pflege- und Ankleideprogramm mit einem Bad begann. Alle staunten natürlich Bauklötze, dass er jeden Tag badete — »und alle Teile seines Körpers wusch«, wie ein Augenzeuge fassungslos bemerkte. Obendrein mit heißem Wasser! Manchmal fügte er Milch hinzu, was ebenfalls zu einer Mode wurde, wenn auch mit ungeahnten Folgen. Als sich nämlich herumsprach, dass der verschrumpelte, geizige Marquis von Queensberry, der in der Nähe wohnte, gleichermaßen Milchbäder zu nehmen pflegte, ging der Verkauf von Milch in dem Stadtviertel zurück, weil geraunt wurde, er bringe die Milch zum Wiederverkauf zurück, nachdem er seine verdorrte, altersschlappe Haut darin gepflegt hatte.
Dandys kleideten sich mit aller Sorgfalt zurückhaltend. Brummell beschränkte sich fast ausschließlich auf drei einfache Farben: weiß, gelbbraun und blauschwarz. Was die Dandys auszeichnete, war nicht die Üppigkeit ihres Gefieders, sondern die Sorgfalt, mit der sie es putzten. Hauptsächlich galt es, die perfekte Silhouette zu finden. In stundenlanger Arbeit zupften und zuppelten sie so lange, bis jede Falte und jeder Aufschlag unübertrefflich gut, ja, perfekt saßen. Als ein Besucher einmal bei Brummell ankam und der Boden mit Halstüchern übersät war, fragte er Robinson, Brummells Diener, was los sei. »Das«, seufzte Robinson, »sind unsere Fehlversuche.« Dandys zogen sich endlos an, wieder aus und wieder an. An einem Tag schafften sie normalerweise mindestens drei Hemden und zwei Paar Hosen, vier oder fünf Halstücher, zwei Westen, mehrere Paar Strümpfe und einen kleinen Stapel Taschentücher (zum anmutigen Winken).
Teilweise wurde die Mode auch von dem immer größer werdenden Leibesumfang des Prinzen von Wales diktiert — »Prinz Wal«, kicherte man sich hinter seinem Rücken zu. Als der Mann die Dreißiger erreichte, war er ein solcher Fleischklops, dass er mit Gewalt in ein Korsett aus Fischbein geschnürt werden musste, das seine Diener taktvoll als seinen »Gürtel« bezeichneten und einer, der es sehen durfte, als »Bastille aus Fischbein«. Georges Oberkörperfettmassen wurden nach oben durch das Loch für den Hals geschoben wie Zahnpasta aus der Tube; die sehr hohen Kragen, die in seiner Zeit modern waren, fungierten also als eine Art von zusätzlichem Mini-Korsett und mussten die Überfülle an Kinnen und flabbrigen Kehllappen verbergen.
Das einzige Kleidungsstück, mit dem sich Dandys hervortaten, waren ihre Hosen. Ihre pantaloons waren oft supereng und bildeten alles ab, weil die feinen Herren keine Unterwäsche darunter trugen. Jane Carlyle, die einmal abends den Grafen d'Orsay gesehen hatte, notierte in ihrem Tagebuch, vielleicht einen Hauch atemlos, dass die Hosen des Grafen »hautfarben gewesen seien und gesessen hätten wie ein
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