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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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schrumpelten. Als man die Knollen ausgrub, waren sie schwammig und verfaulten schon. In dem Jahr ging die halbe Ernte in Irland verloren. Im nächsten Jahr verdarb buchstäblich die ganze Ernte. Der Schuldige war ein Pilz namens Phytophthora infestans, aber das wussten die Leute nicht. Stattdessen beschuldigten sie fast alles andere, das ihnen in den Sinn kam den Dampf von Dampfloks, die Elektrizität aus Telegrafensignalen, den neuen Guanodünger, der allmählich viel verwendet wurde. Doch nicht nur in Irland verdarb die Ernte, sondern in ganz Europa. Die Iren waren nur besonders abhängig, von den Kartoffeln.
    Hilfe kam berüchtigt langsam. Monate, nachdem der Hunger begonnen hatte, riet der britische Premierminister Sir Robert Peele immer noch dringend zur Vorsicht. »In Berichten aus Irland herrscht immer eine derartige Tendenz zu Übertreibung und Ungenauigkeit, dass eine Verzögerung, was unser Handeln betrifft, stets wünschenswert ist«, schrieb er. Im schlimmsten Jahr der Hungersnot wurden auf dem Londoner Fischmarkt Billingsgate fünfhundert Millionen Austern verkauft, eine Milliarde frische Heringe, fast hundert Millionen Seezungen, 498 Millionen Garnelen, 304 Millionen Strandschnecken, 33 Millionen Schollen, 23 Millionen Makrelen und weitere ähnlich riesige Mengen, und kein Stückchen davon fand den Weg nach Irland, um den hungernden Menschen dort zu helfen.
    Am schlimmsten an der Tragödie war, dass es in Wirklichkeit reichlich Nahrung in Irland selbst gab. Im Land wurden große Mengen Eier produziert, Getreide und alle Sorten Fleisch, und man holte auch sehr viel Essbares aus dem Meer, doch fast alles ging in den Export. 1,5 Millionen Menschen verhungerten vollkommen unnötig! Es war das größte Massensterben in Europa seit dem Schwarzen Tod.

Fünftes Kapitel
    Spülküche und Speisekammer
    Zu den zahlreichen kleinen Rätseln hinsichtlich des originalen Zustandes des alten Pfarrhauses gehört, dass die Diener eigentlich keinen Raum hatten, in dem sie sich aufhalten konnten, wenn sie nicht arbeiteten. Die Küche war kaum groß genug für einen Tisch und ein paar Stühle, und die miteinander verbundenen Spülküche und Speisekammer, in die ich Sie jetzt gebracht habe, waren noch kleiner. In Ersterer befand sich ein großer, tiefer Spülstein, in Letzter wurden die Lebensmittel aufbewahrt.
    Mr. Marsham wird diese Räume ebenso wie die Küche, falls überhaupt, eher mit Vorsicht betreten haben, denn sie waren das Reich der Bediensteten — wenn auch kein großartiges und für ein Pfarrhaus, selbst an den Maßstäben der Zeit gemessen, merkwürdig unzureichend. Im Pfarrhaus von Barham in Kent, das etwa zur gleichen Zeit gebaut wurde, sah der Architekt für die Dienerschaft nicht nur Küche, Speisekammer und Spülküche vor, sondern auch eine Vorratskammer, einen Abstellraum, einen Kohlenkeller, verschiedene Schränke und — das war der entscheidende Unterschied! — ein Zimmer für die Haushälterin, das eindeutig zum gelegentlichen Zurückziehen und Ausspannen gedacht war.
    Warum es bei uns anders ist, ist besonders schwer zu erklären, weil das Haus, so wie es gebaut wurde, nicht in allem den Plänen Edward Tulls entspricht. Mr. Marsham schlug offenbar einige wesentliche Änderungen vor (bestand vielleicht sogar darauf), was insofern nicht überraschend ist, als das Domizil, wie es Tull für ihn entworfen hatte, eine Reihe faszinierender Sonderbarkeiten aufwies. Aus unerfindlichen Gründen wollte Tull den
    1 laupteingang an der Seite und ein Wasserklosett auf dem Absatz der Haupttreppe anbringen, eine wahrlich merkwürdige, unübliche Stelle, denn damit hätte die Treppe kein Fenster mehr gehabt und wäre selbst am Tag stockdunkel wie ein Keller gewesen. Tull plante auch ein Ankleidezimmer zum großen Schlafzimmer, aber ohne Verbindungstür, und baute, wie wir schon wissen, einen Dachboden ohne einen Zugang über eine Treppe, aber mit einer wunderbaren Tür zum Nichts.
    Die meisten der schrägeren Ideen wurden zu irgendeinem Zeitpunkt vor oder während des Hausbaus überarbeitet und verworfen. Der Haupteingang wurde letztendlich vorn am Haus angebracht, das Wasserklosett nie gebaut, der Treppenflur bekam ein großes Fenster, durch das das Sonnenlicht strömt (wenn die Sonne scheint!) und aus dem hinaus man einen wunderschönen Blick auf die Kirche hat. Zwei in den Plänen nicht ausgewiesene Zimmer wurden hinzugefügt — unten ein Arbeitszimmer, oben ein weiteres Schlaf- oder Kinderzimmer. Alles in

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