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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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aufscheuchen mussten, die der Familie und ihren Gästen zum Abknallen vor die Flinte flattern sollten. Die Waidmänner in Elveden schafften es jedes Jahr, über einhunderttausend gefiederte Gesellen zu massakrieren. Der sechste Baron Walsingham schoss einmal ganz allein 1070 Moorhühner an einem Tag, ein Rekord, der seitdem nie verbessert worden ist und hoffentlich auch nie verbessert werden wird. (Walsingham hatte sicher ein Team von Leuten, deren Aufgabe es war, ihm einen stetigen Nachschub an geladenen Gewehren bereitzustellen, damit er nach Herzenslust herumballern konnte. Schwieriger gestaltete es sich wahrscheinlich, ihm ausreichend viele »Ziele« zu beschaffen; es wurden sicher gleichzeitig immer mehrere Moorhühner aus Käfigen entlassen. So großen Spaß es dem Herrn ja gemacht haben mag, fragt man sich doch, warum er nicht gleich in die Käfige feuerte. Jedenfalls hätte er dann mehr Zeit zum Abendessen gehabt.)
    Da Gäste immer eigene Diener mitbrachten, stieg die Zahl der Menschen in einem Landhaus an einem Wochenende nicht selten auf einhundertfünfzig. Bei einer solchen Menge an Leibern kam es unweigerlich zu Verwechslungen. Als Lord Charles Beresford, ein notorischer Schürzenjäger, in den 1890er Jahren einmal ins Schlafzimmer seiner Geliebten schlich und mit einem lustvollen »Ki-ke-ri-kiiii!« ins Bett hechtete, musste er feststellen, dass der Bischof von Chester samt Gattin darin lagen. Um derlei Kuddelmuddel zu vermeiden, gab man Gästen imWentworth Woodhouse, einem stattlichen Kasten in Yorkshire, silberne Dosen mit verschiedenfarbigem Konfetti, das sie auf den Fluren verstreuen konnten, um den Weg in ihr Zimmer oder zwischen den Zimmern zu finden.
    Auch alles Übrige erfolgte in großem Stil. In der Küche in Saltram, einem Herrenhaus in Devon, gab es sechshundert Kupfertöpfe und -pfannen, und das war keineswegs unnormal. In einem durchschnittlichen Landhaus hatte man bis zu sechshundert Handtücher und ähnliche Unmengen an Laken und Bettbezügen. Schon alles immer mit Wäschezeichen zu versehen, zu zählen und korrekt aufzubewahren war eine Mammutaufgabe. Doch selbst in bescheideneren Heimen — in einer Landpfarrei zum Beispiel — wurden bei einem Abendessen für zehn Leute oft mehr als vierhundert Schüsseln, Gläser, Besteckteile und so weiter benutzt und mussten gespült werden.
    Diener auf allen Stufen der Hierarchie arbeiteten schwer und viele Stunden. Einer, der in Rente war, erinnerte sich 1925, wie er am Anfang seines Berufslebens frühmorgens, bevor sich noch irgendjemand im Haus regte, das Feuer anzünden, zwanzig Paar Schuhe und fünfunddreißig Lampen putzen sowie Dochte schneuzen musste. Der Romanautor George Moore schrieb aus persönlicher Erfahrung in seinen Memoiren Bekenntnisse eines jungen Mannes, Schicksal des Dieners oder der Dienerin sei es, siebzehn Stunden am Tag »in und außerhalb der Küche zu schuften, mit Kohlen, Frühstück und Behältern voll heißem Wasser treppauf zu laufen und auf Knien einen Kamin zu säubern [...] Manchmal warfen einem die Herrschaften ein freundliches Wort zu, doch nie eines, mit dem sie einen als ihresgleichen anerkannten, nur eines des Mitleids, wie man es einem Hund schenken würde«.
    Vor der Installation von Wasserleitungen im Haus musste das Wasser zum Waschen in jedes Schlafzimmer und nach Gebrauch wieder hinausgeschleppt werden. Überhaupt musste ein Dienstmädchen alle Schlafzimmer, die benutzt wurden, in der Regel zwischen Frühstück und Schlafenszeit fünfmal aufsuchen und eine Arbeit darin verrichten und bei jedem Gang auch die unterschiedlichsten Behälter mitnehmen und penibel darauf achten, dass es zum Beispiel frisches Wasser nie in dem Behälter hochtrug, in dem das gebrauchte Wasser transportiert worden war. Das Mädchen musste auch immer drei Tücher mitnehmen — eins, um die Trinkgläser auszuwischen, eins für die Leibstühle und eins für die Waschschüsseln — und stets daran denken (und keinen Groll gegen die Herrschaft hegen), die jeweils richtigen zu benutzen. Ein solcher Aufwand galt natürlich nur für die Katzenwäsche. Wenn ein Gast oder ein Familienmitglied baden wollte, ging es ganz anders zur Sache. Ein Liter Wasser wiegt ziemlich genau ein Kilogramm, und für ein normales Bad brauchte man um die zweihundert Liter, die alle in der Küche erhitzt und in besonderen Kannen hinaufgebracht werden mussten. Es konnte vorkommen, dass man zwei Dutzend und mehr Wannen an einem Abend füllen musste. Schon das

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