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Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yuval Noah Harari
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meisten Menschen ist der allmächtige Gott einfach zu weit weg, um ihn mit ihren alltäglichen Nöten zu behelligen. Die monotheistischen Religionen vertrieben die anderen Götter mit großem Getöse, nur um sie zur Hintertür wieder hereinzulassen. So erfand beispielsweise das Christentum seinen eigenen Pantheon der Heiligen, deren Kulte sich kaum von denen der polytheistischen Götter unterscheiden.
    Genau wie der Gott Jupiter das Römische Reich beschützte und Huitzilopochtli die Macht der Azteken, so hatte jeder christliche Kleinstaat seinen eigenen Schutzheiligen, der ihm durch alle Schwierigkeiten und Kriege zur Seite stand. England wurde vom Heiligen George unter die Fittiche genommen, Schottland vom Heiligen Andrew, Ungarn vom Heiligen Stefan und Deutschland von Erzengel Michael. Jede Stadt und jedes Dorf, jeder Beruf und jede Krankheit hatte einen Heiligen. Köln hatte die Heiligen Drei Könige, während der Heilige Markus Venedig behütete. Der Heilige Florian war der Patron der Schornsteinfeger und Feuerwehrleute, während der Heilige Matthäus den Steuereintreibern und Zollbeamten zur Hand ging. Bei Kopfschmerzen versprach die Heilige Aldegundis Linderung, während bei Zahnschmerzen die Heilige Apollonia die bessere Ansprechpartnerin war.
    Die christlichen Heiligen hatten nicht nur große Ähnlichkeit mit den polytheistischen Göttern. Oft waren sie nichts anderes als heidnische Götter in der Verkleidung von christlichen Heiligen. Vor der Ankunft der Missionare war eine der wichtigsten Göttinnen der irischen Kelten eine gewisse Brigid. Im Zuge der Christianisierung trat auch Brigid zum christlichen Glauben über und wurde zur Heiligen Brigida, bis heute eine der meistverehrten Heiligen im katholischen Irland.
    Der Kampf zwischen Gut und Böse
    Aus dem Polytheismus gingen nicht nur monotheistische Religionen hervor, sondern auch dualistische. Letztere glauben an die Existenz zweier widerstreitender Kräfte: Gut und Böse. Anders als die Monotheisten glauben Dualisten, dass das Böse eine unabhängige Kraft ist, die nicht von Gott geschaffen wurde und diesem nicht untergeordnet ist. Der Dualismus erklärt die ganze Welt als Schlachtfeld zwischen diesen beiden Kräften, und alle Ereignisse der Welt sind Teil dieser Auseinandersetzung.
    Der Dualismus ist eine attraktive Weltsicht, denn er bietet eine elegante Antwort auf das legendäre Problem des Bösen, das die Menschen seit Langem umtreibt. »Warum gibt es das Böse in der Welt? Warum gibt es Leid? Warum leiden auch gute Menschen?« Monotheisten haben erstaunliche geistige Verrenkungen vollführt, um zu erklären, wie ein allwissender, allmächtiger und allgütiger Gott so viel Leid zulassen kann. Eine Erklärung lautet, dass Gott den Menschen mit einem freien Willen ausgestattet habe. Wenn es das Böse nicht gäbe, dann könnten sich die Menschen nicht zwischen Gut und Böse entscheiden, und dann gäbe es auch keinen freien Willen. Diese Antwort wirft jedoch sofort eine ganze Reihe weiterer Fragen auf. Die Willensfreiheit erlaubt es dem Menschen, sich für das vermeintlich Böse zu entscheiden. Es gibt sogar viele Menschen, die sich dafür entscheiden und von Gott hart bestraft werden. Aber wenn Gott schon im Voraus weiß, welche Menschen ihren freien Willen nutzen, um sich für das Böse zu entscheiden und bis in alle Ewigkeit in der Hölle schmoren, warum erschafft er sie dann überhaupt? Theologen haben dicke Wälzer geschrieben, um diese und ähnliche Fragen zu beantworten. Egal was wir von ihren Antworten halten mögen, sicher ist jedenfalls, dass die Monotheisten ihre liebe Not mit dem Problem des Bösen haben.
    Für Dualisten stellt sich diese Frage überhaupt nicht. Auch guten Menschen widerfährt Böses, weil die Welt nicht von einem allwissenden, allmächtigen und allgütigen Gott beherrscht wird. Es gibt eine eigenständige Macht des Bösen, und diese böse Macht tut eben Böses. Diese Erklärung ist so einfach und überzeugend, dass auch Monotheisten nach ihr greifen. Viele Christen, Muslime und Juden glauben an eine unabhängige böse Macht, die gegen den guten Gott kämpft und großen Schaden auf der Welt anrichtet. Viele Christen, Muslime und Juden glauben außerdem, dass der allgütige Gott im Kampf gegen den Teufel unsere Hilfe benötigt. Aber wie kommen Monotheisten dazu, an diese dualistischen Vorstellungen zu glauben? Rein logisch schließen sich die beiden aus: Entweder glauben wir an einen allmächtigen Gott oder an zwei

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