Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)
europäischen Weltmächte, die all die zahllosen wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammenführten und umfassende wissenschaftliche Disziplinen schafften. Der Ferne Osten und die islamische Welt brachten Menschen hervor, die den westlichen Denkern an Neugierde und Intelligenz in nichts nachstanden. Doch zwischen 1500 und 1950 machten sie keine einzige Entdeckung, die zum Verständnis der Naturwissenschaften auch nur annähernd so viel beigetragen hätten wie die eines Isaac Newton oder Charles Darwin.
Das heißt nicht, dass die Europäer ein besonderes Wissenschaftsgen besäßen oder dass sie auf alle Ewigkeit die Physik oder die Biologie beherrschen werden. Es heißt nur, dass die Europäer dank eines historischen Zufalls die wissenschaftliche Revolution anführten. Genau wie der Islam kein Monopol der Araber mehr ist, ist auch die Wissenschaft längst kein Monopol der Europäer mehr.
Wie entstand diese historische Verbindung zwischen den modernen Wissenschaften und dem europäischen Imperialismus? Im 19. und 20. Jahrhundert war es die Technologie, die diese Allianz verstärkte, doch in der frühen Neuzeit hatte dieser Faktor noch kaum Bedeutung. Die Verbindung zwischen dem Pflanzen suchenden Botaniker und dem Kolonien suchenden Kapitän ist eine ähnliche Weltsicht. Sowohl der Wissenschaftler als auch der Eroberer begann mit einem Eingeständnis seines Unwissens (»Ich weiß nicht, was mich da draußen erwartet«). Um diesen Mangel zu beheben, machten sich beide auf die Suche nach neuen Erkenntnissen. Und beide hofften, dass sie mit diesem neuen Wissen schließlich die Welt beherrschen würden.
*
Von Beginn an waren die europäischen Entdeckungsfahrten immer auch Eroberungszüge, und umgekehrt. Das macht die Einmaligkeit des europäischen Imperialismus aus. Frühere Imperialisten nahmen an, dass sie die Welt bereits völlig verstanden. Bei der Eroberung nutzten sie lediglich ihre Sicht der Welt und verbreiteten sie. Die Araber eroberten Ägypten, Spanien oder Indien nicht, weil sie dort etwas entdecken wollten, das sie noch nicht kannten. Die Römer, Mongolen und Azteken verleibten sich gierig immer neue Völker und Stämme ein, um Macht und Reichtümer zu horten, aber nicht um Wissen zu finden. Europäische Imperialisten brachen dagegen in ferne Länder auf, um sich nicht nur neue Länder anzueignen, sondern auch neues Wissen.
James Cook war keineswegs der erste Entdecker, er trat nur in die Fußstapfen der Portugiesen und Spanier des 15. und 16. Jahrhunderts. Heinrich der Seefahrer und Vasco da Gama erkundeten die Küste Afrikas und eroberten gleichzeitig Inseln und Häfen. Christoph Kolumbus »entdeckte« Amerika und beanspruchte zugleich im Namen der spanischen Krone die Herrschaft über diese neuen Inseln. Ferdinand Magellan umsegelte die Welt und legte zugleich den Grundstein für die Eroberung der Philippinen durch die Spanier.
Im Laufe der Zeit wurde die Verflechtung von Erforschung und Eroberung immer enger. Im 18. und 19. Jahrhundert waren bei fast jeder größeren militärischen Expedition, die Europa auf der Suche nach fernen Ländern verließ, immer auch Wissenschaftler an Bord, die diese Länder »entdeckten« und erforschten. Als Napoleon im Jahr 1798 in Ägypten einfiel, nahm er 165 Wissenschaftler mit, die die neue Disziplin der Ägyptologie begründeten und wichtige Beiträge zu Forschungsgebieten wie dem Orientalismus, der Linguistik und der Botanik leisteten.
Im Jahr 1831 entsandte die Marine seiner Majestät des Königs von Großbritannien die HMS Beagle nach Südamerika, zu den Falklandinseln und nach Galapagos, um die Küste zu kartographieren und besser auf einen etwaigen Krieg mit anderen Kolonialmächten vorbereitet zu sein. Der Kapitän des Schiffs war ein Amateurwissenschaftler und beschloss, einen Geologen mit an Bord zu nehmen, um die geologischen Formationen auf der Route zu untersuchen. Nachdem einige Geologen seine Einladung abgelehnt hatten, sprach der Kapitän einen 22-jährigen Absolventen der Universität Cambridge an, der eigentlich Theologie studiert hatte, aber sich mehr für Geologie und Naturkunde interessierte als für die Bibel. Dieser Student, ein gewisser Charles Darwin, nahm das Angebot an, und der Rest ist bekannt. Auf der Expedition der Beagle zeichnete der Kapitän eifrig militärische Karten, während Darwin Daten sammelte und zu Erkenntnissen kam, die schließlich als Evolutionstheorie bekannt werden sollten.
*
Am 20. Juli 1969 landeten Neil Armstrong und
Weitere Kostenlose Bücher