Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)
starben mit ihnen aus (als das Mammut verschwand, folgten ihnen natürlich auch sämtliche Arten von Mammutflöhen).
Jahrzehntelang haben Paläontologen und Zooarchäologen – Wissenschaftler, die sich mit den fossilen Überresten von Tieren beschäftigen – die Berge und Täler des Doppelkontinents auf der Suche nach versteinerten Kamelknochen und vertrocknetem Riesenfaultierkot durchkämmt. Diese Schätze werden sorgfältig verpackt und in Labors geschickt, wo jeder Knochen und jeder Kothaufen sorgfältig untersucht und datiert wird. Die Analysen kommen immer wieder zu demselben Ergebnis: Die frischsten Faultieräpfel und die jüngsten Kamelknochen stammen just aus dem Jahrtausend, in dem der Mensch seinen Fuß auf den amerikanischen Doppelkontinent setzte, und sind zwischen 14000 und 11000 Jahre alt. Nur in einer Region fanden die Wissenschaftler jüngere Kothaufen: Auf einigen Karibikinseln, namentlich auf Kuba und Hispaniola, sind die jüngsten Überbleibsel rund 7000 Jahre alt. Das ist kein Wunder, denn genau zu diesem Zeitpunkt überquerten die ersten Menschen die karibische See und ließen sich auf diesen beiden Inseln nieder.
Natürlich versuchen auch diesmal einige Wissenschaftler, den Homo sapiens zu entlasten und die Schuld bei einem Klimawandel zu finden (der das amerikanische Festland angeblich vor 14000 Jahren traf, aber in der Karibik aus unerfindlichen Gründen noch 7000 Jahre auf sich warten ließ). Doch die Spur der Kothaufen lässt nicht den geringsten Zweifel zu: Wir Menschen waren die Täter. Selbst wenn es einen Klimawandel gegeben haben sollte, war der menschliche Einfluss entscheidend. 25
Noahs Arche
Wenn wir die massiven Artensterben in Australien und Amerika zusammennehmen und die Arten hinzuzählen, die der Homo sapiens auf seinem Weg durch Afrika, Europa und Asien ausgerottet hat (die anderen Menschenarten nicht zu vergessen), dann stellen wir fest, dass der weise Mensch die größte Katastrophe war, von der die Tier- und Pflanzenwelt der Erde je heimgesucht wurde. Am härtesten traf es die Megafauna: Zu Beginn der kognitiven Revolution lebten auf dem gesamten Planeten rund 200 Säugetiergattungen, deren Angehörige über 50 Kilogramm wogen. Zu Beginn der landwirtschaftlichen Revolution waren es nur noch etwa 100. Der Homo sapiens hatte die Hälfte aller Großsäuger der Erde ausgerottet, noch ehe er das Rad, die Schrift und Waffen aus Metall erfunden hatte.
Nach Beginn der landwirtschaftlichen Revolution wiederholte sich diese Umweltkatastrophe ein ums andere Mal. Die archäologischen Funde auf verschiedenen Inseln erzählen immer wieder dieselbe Geschichte. Vor der Ankunft der menschlichen Siedler gedeiht eine üppige Fauna auf einer Insel. Dann tauchen die ersten archäologischen Hinweise auf die Anwesenheit von Menschen auf – ein Knochen hier, eine Speerspitze da und vielleicht die eine oder andere Scherbe. Und kurz darauf verschwinden sämtliche großen und viele der kleineren Säugetiere auf Nimmerwiedersehen.
Die große Insel Madagaskar, die rund 400 Kilometer östlich vom afrikanischen Festland liegt, ist nur eines von vielen traurigen Beispielen. Über Jahrmillionen hinweg war die Insel isoliert gewesen und hatte eine einmalige Tierwelt hervorgebracht. Hier lebte zum Beispiel der »Elefantenvogel«, ein flugunfähiger, drei Meter großer Vogel, der etwa eine halbe Tonne gewogen haben muss und der größte Vogel aller Zeiten war. Und durch die Wipfel der Urwaldriesen hangelten sich die Riesenlemuren, die größten Primaten der Welt, die noch größer waren als unsere Gorillas. Vor rund 1500 Jahren verschwanden die Elefantenvögel, Riesenlemuren und die meisten anderen großen Tiere von Madagaskar schlagartig – der Mensch hatte die Insel betreten.
Im Pazifik begann das Artensterben vor rund 3500 Jahren, als sich die polynesischen Bauern auf den Salomoninseln, den Fijis und Neukaledonien niederließen und hunderte Vogel-, Insekten- Schnecken- und andere einheimische Tierarten auslöschten. Von da rollte der Tsunami weiter nach Osten, Süden und Norden, ins Herz des Pazifik, wo er vor 3200 Jahren die einmalige Fauna von Samoa und Tonga fortspülte, vor etwa 2000 Jahren die Marquesas erfasste, vor rund 1500 Jahren die Osterinseln, die Cookinseln und Hawaii überflutete, bis er schließlich vor 800 Jahren Neuseeland erreichte.
Ähnliche Umweltkatastrophen ereigneten sich auf fast jeder der Tausenden von Inseln im Atlantik, im Indischen Ozean, in der Arktis und im
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