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Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yuval Noah Harari
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vorkommen könnte. In den vergangenen Jahrzehnten wurden zahllose Maschinen erfunden, die uns das Leben erleichtern sollen: Waschmaschinen, Staubsauger, Geschirrspülmaschinen, Telefone, Mobiltelefone, Computer, E-Mail. Früher hat es viel Zeit gekostet, einen Brief zu schreiben, einen Umschlag zu kaufen, ihn zur Post zu bringen und abzuschicken. Die Antwort ließ Tage und Wochen auf sich warten. Heute können wir innerhalb einer halben Minute eine E-Mail schreiben und sofort eine Antwort bekommen. Haben wir jetzt mehr Zeit für uns selbst?
    Im Gegenteil. In Zeiten der Schneckenpost haben wir nur Briefe geschrieben, wenn wir wirklich etwas mitzuteilen hatten. Wir haben nicht einfach geschrieben, wie uns der Schnabel gewachsen war, sondern haben sorgfältig über den Inhalt nachgedacht und an Formulierungen gefeilt. Als Antwort haben wir einen genauso durchdachten Brief erwartet. Pro Monat haben wir eine Handvoll Briefe geschrieben, eifrige Schreiber kamen auf einige Dutzend, und kaum jemand setzte sich sofort nach Erhalt eines Briefes hin, um eine Antwort zu schreiben. Heute bekommen wir pro Tag Dutzende Mails, die alle umgehend beantwortet werden wollen. Mit dem Versuch, Zeit zu sparen, haben wir lediglich die Schlagzahl erhöht und unser Leben noch hektischer gemacht.
    Hier und da kann man noch einem Don Quijote begegnen, der sich standhaft weigert, ein E-Mail-Konto einzurichten. Genauso gab es vor ein paar Jahrtausenden Gruppen von Menschen, die keine Bauern wurden und nicht in die Luxusfalle tappten. Aber um die landwirtschaftliche Revolution in Gang zu bringen, mussten gar nicht alle Menschen mitmachen. Es reichte schon, wenn ein paar in die Falle gingen. Sobald sich im Nahen Osten oder in Zentralamerika auch nur eine einzige Gruppe niederließ und mit der Aussaat anfing, begann der unaufhaltsame Weg in die Landwirtschaft. Da der Getreideanbau ein rasches Bevölkerungswachstum ermöglichte, waren die Bauern den Jägern und Sammlern zahlenmäßig schon bald überlegen. Die Wildbeuter konnten entweder das Weite suchen und ihre Jagdgründe den Bauern überlassen, die sie in Weiden und Ackerland verwandelten. Oder sie konnten sich selbst vor den Pflug spannen. So oder so war ihre alte Lebensweise dem Untergang geweiht.
    Aus der Geschichte der Luxusfallen können wir eine wichtige Lektion lernen. Bei dem Versuch, winzige Fortschritte zu erringen, setzen wir immense Energien frei und bewirken Veränderungen, die niemand vorhersehen konnte und die auch niemand in dieser Form wollte. Niemand konnte die landwirtschaftliche Revolution vorhersehen und niemand wollte sie. Eine Abfolge winziger Entscheidungen, mit denen sich die Menschen den Magen füllen und ein bisschen Sicherheit gewinnen wollten, summierte sich so lange, bis die alten Wildbeuter unter sengender Sonne Wassereimer schleppten.
    Göttliche Einmischung
    Die Theorie der Luxusfalle erklärt die landwirtschaftliche Revolution als Ergebnis einer fatalen Fehlkalkulation. Das klingt durchaus plausibel – die Geschichte kennt noch viel dümmere Irrtümer. Es gibt jedoch noch eine andere Möglichkeit. Könnte es sein, dass es den Menschen nicht nur um Wohlstand und Sicherheit ging? Könnten sie andere Ziele verfolgt und sich das Leben bewusst schwer gemacht haben, um sie zu erreichen?
    Wissenschaftler erklären historische Entwicklungen gern mit kalten wirtschaftlichen und demographischen Daten. Das passt besser zu ihren rationalen Methoden und mathematischen Modellen. Bei der Erklärung der modernen Geschichte können sie nicht umhin, auch nicht-materielle Faktoren wie Ideologie und Kultur einzubeziehen, weil sie durch schriftliche Zeugnisse dazu gezwungen werden. Es gibt genug Dokumente, Briefe und Memoiren, aus denen hervorgeht, dass der Zweite Weltkrieg weder durch Hunger noch durch Überbevölkerung ausgelöst wurde. Aber die Natufier haben keine Dokumente hinterlassen, weshalb beim Umgang mit alten Kulturen materialistische Erklärungen vorherrschen. Es ist schwer zu beweisen, dass schriftlose Völker nicht durch wirtschaftliche Zwänge motiviert wurden, sondern durch ihre Überzeugungen.
    Aber in einigen Fällen haben wir Glück und finden entscheidende Hinweise. Im Jahr 1995 gruben deutsche Archäologen auf dem Hügel Göbekli Tepe im Südosten der Türkei eine faszinierende Anlage aus. In der ältesten Schicht fanden sie keinerlei Hinweise auf Siedlungen, Gebäude oder Alltagsleben. Stattdessen entdeckten sie gewaltige Säulenbauten, die mit einmaligen

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