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Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yuval Noah Harari
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Reliefen verziert waren. Die einzelnen Pfeiler wogen bis zu sieben Tonnen und waren bis zu fünf Meter hoch. In einem nah gelegenen Steinbruch fanden sie sogar einen halbfertigen Pfeiler, der mehr als fünfzig Tonnen wog. Bisher haben die Archäologen mehr als zehn solcher Bauwerke freigelegt, das größte mit einem Durchmesser von dreißig Metern.

    10. Oben: Die Überreste eines monumentalen Bauwerks auf dem Göbekli Tepe. Unten: Eine der verzierten, rund fünf Meter hohen Säulen.

    Archäologen kennen ähnliche Monumente von anderen Fundstätten in aller Welt, etwa Stonehenge in Südengland. Doch bei genaueren Untersuchungen der Anlage auf dem Göbekli Tepe machten sie eine erstaunliche Entdeckung. Stonehenge wurde vermutlich vor 4500 Jahren von einer bäuerlichen Gesellschaft errichtet. Die Bauwerke vom Göbekli Tepe werden dagegen auf ein Alter von 11500 Jahren geschätzt, und alles deutet darauf hin, dass sie von Wildbeutern erbaut wurden! Die Zunft der Archäologen betrachtete die Ergebnisse zunächst mit Skepsis, doch eine Untersuchung nach der anderen bestätigte das Alter der Anlage und die Tatsache, dass die Erbauer Wildbeuter gewesen sein mussten. Die Fähigkeiten der Jäger und Sammler sowie ihre gesellschaftliche und kulturelle Komplexität scheinen alles zu sprengen, was man bislang für möglich gehalten hätte.
    Aber warum sollten Jäger und Sammler eine derartige Anlage errichten? Sie erfüllte keinen erkennbaren Zweck: Es handelte sich weder um einen Mammutschlachthof, noch bot sie Schutz vor Löwen oder Unwettern. Sie hatte eine geheimnisvolle kulturelle Bedeutung, die sich den Archäologen bislang nicht erschließt. Aber warum die Wildbeuter diese Anlage auch immer gebaut haben mögen, sie schien ihnen sehr wichtig zu sein. Denn um Göbekli Tepe zu errichten, mussten Tausende Menschen unterschiedlicher Gruppen und Stämme über lange Zeiträume hinweg zusammenarbeiten. Zu derartigen Anstrengungen sind nur hochentwickelte Religionen oder Ideologien imstande.
    Der Göbekli Tepe gab noch ein weiteres sensationelles Geheimnis preis. Seit Jahrzehnten suchen Genetiker nach der Herkunft domestizierten Weizens. Jüngste Entdeckungen ergaben, dass zumindest eine Variante, das sogenannte Einkorn, seinen Ursprung am Fuß des Vulkans Karacadağ im Südosten der Türkei haben muss – gerade einmal dreißig Kilometer vom Göbekli Tepe entfernt. 30
    Das kann kein Zufall sein. Die Vermutung liegt nahe, dass die Anlage auf dem Göbekli Tepe irgendetwas mit der Domestizierung des Weizens und des Menschen zu tun haben muss. Um die Menschen zu ernähren, die derart monumentale Bauwerke errichteten, waren gewaltige Mengen an Lebensmitteln nötig. Es ist durchaus denkbar, dass die Jäger und Sammler nicht vom Weizensammeln zum Weizenanbau übergingen, um ihren üblichen Kalorienbedarf zu decken, sondern um einen Tempel zu bauen. Sollte das stimmen, dann könnten religiöse Überzeugungen die Menschen veranlasst haben, den hohen Preis zu zahlen, den der Weizen verlangte. Früher ging man davon aus, dass sich die Siedler erst in einem Dorf niederließen und dann in der Mitte einen Tempel errichteten. Göbekli Tepe lässt vermuten, dass erst der Tempel kam und dann das Dorf.
    Die Opfer der Revolution
    Dieser Handel zwischen Mensch und Pflanze war nicht der einzige Pakt des Menschen mit dem Teufel. Ein anderer betraf das Schicksal von Schafen, Ziegen, Schweinen und Hühnern.
    Mit ihrer Jagd auf wilde Schafe veränderten Nomadengruppen ganz allmählich die Zusammensetzung der freilebenden Herden. Vermutlich gingen die Jäger zunächst einfach selektiv vor: Sie lernten, dass es besser war, nur ausgewachsene Widder oder alte und kranke Schafe zu erlegen und fruchtbare Weibchen und Lämmer zu verschonen, wenn sie die Herde langfristig erhalten wollten. Irgendwann gingen sie wahrscheinlich dazu über, die Herden aktiv vor Raubtieren zu schützen und Löwen, Wölfe und konkurrierende menschliche Jäger zu vertreiben. Später trieben sie die Tiere vielleicht in einer Schlucht zusammen, um sie dort besser im Auge behalten und beschützen zu können. Und schließlich wählten sie die Schafe immer sorgfältiger nach ihren Bedürfnissen aus. Die aggressivsten Widder, die den größten Widerstand gegen die menschliche Herrschaft zeigten, wurden als Erste geschlachtet. Ihnen folgten dürre und neugierige Weibchen (Schäfer mögen keine Schafe, die sich aus Neugierde weit von der Herde entfernen). Mit jeder Generation wurden die

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