Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)
Rüssels ab. Danach verursacht das Schnüffeln große Schmerzen. Da Schweine jedoch ohne ihren Geruchssinn keine Nahrung finden und sich nicht einmal orientieren können, werden sie durch diese Verstümmelung vollkommen abhängig von ihren menschlichen Besitzern. In einer anderen Gegend Neuguineas stechen die Bauern ihren Schweinen sogar die Augen aus, damit sie nicht davonlaufen. 31
11. Zeichnung aus einem ägyptischen Grab, zirka 1200 vor unserer Zeitrechnung: Ein Ochsengespann pflügt einen Acker. Wilde Stiere streiften über Weideland und lebten in einer komplexen Herde mit anderen Stieren und Kühen. Die kastrierten und domestizierten Ochsen vegetierten dagegen im Schatten der Peitsche und des Stalls, sie arbeiteten allein oder in Paaren auf eine Weise, die weder ihrem Körper noch ihren sozialen und emotionalen Bedürfnissen entsprach. Wenn ein Ochse sein Soll nicht mehr erfüllte, wurde er geschlachtet. (Sehen Sie sich übrigens die gebückte Haltung des ägyptischen Bauern an – wie der Ochse verbrachte er sein Leben mit harter Arbeit, die ihm körperlich und geistig schadete.)
Die Milchwirtschaft hat ganz eigene Methoden zur Unterjochung der Tiere entwickelt. Kühe, Ziegen und Schafe geben nur Milch, wenn sie Kälber, Zicklein und Lämmer zur Welt gebracht haben, und dann auch nur so lange sie die Jungen säugen. Um den Milchfluss aufrechtzuerhalten, brauchen Bauern die Kälber, Zicklein und Lämmer, aber gleichzeitig müssen sie verhindern, dass diese die ganze Milch bekommen. Eine traditionelle Methode besteht darin, die Jungen einfach kurz nach ihrer Geburt zu schlachten, die Mutter so lange wie möglich zu melken und sie dann wieder zu schwängern. Diese Methode ist bis heute verbreitet. In modernen Milchbetrieben lebt eine Kuh in der Regel etwa fünf Jahre und wird dann geschlachtet. Während dieser fünf Jahre ist sie fast konstant trächtig und wird 60 bis 120 Tage nach der Geburt eines Jungen erneut gedeckt, um ein Maximum an Milch zu produzieren. Die Kälber werden kurz nach ihrer Geburt von ihrer Mutter getrennt; die weiblichen Kälber werden zur nächsten Generation der Milchkühe herangezogen, die männlichen Kälber werden der Fleischverarbeitung zugeführt. 32
Eine andere Methode besteht darin, die Jungen bei der Mutter zu lassen, aber ihnen die Milch vorzuenthalten. Die einfachste Praxis ist, das Kalb oder Lamm ein wenig saugen zu lassen und es zu vertreiben, sobald der Milchfluss einsetzt. Diese Methode stößt natürlich sowohl beim Jungen als auch bei der Mutter auf Widerstand. Viele Hirten töteten daher das Junge, aßen sein Fleisch und stopften sein Fell aus. Dann zeigten sie der Mutter das ausgestopfte Junge, um durch den Anblick die Milchproduktion anzuregen. Die Angehörigen des Stammes der Nuer im Sudan rieben die ausgestopften Kälber mit dem Urin der Mutter ein, damit es lebendig und vertraut roch. Eine andere Methode der Nuer bestand darin, dem Kalb einen Dornenkranz um die Schnauze zu binden, um die Mutter beim Säugen zu stechen und deren Widerstand zu provozieren. 33 Kamelzüchter der in der Sahara lebenden Tuareg verstümmelten die Nase und Oberlippe der jungen Kamele, damit die Tiere beim Saugen Schmerzen empfanden und nur wenig Milch tranken. 34
Nicht alle bäuerlichen Gesellschaften behandelten ihre Tiere mit derartiger Grausamkeit. Einige Haustiere führten durchaus ein gutes Leben. Wollschafe, Haushunde und -katzen, Streitrosse und Rennpferde lebten oft unter sehr angenehmen Bedingungen. Der römische Kaiser Caligula soll sein Lieblingspferd Incitatus sogar zum Konsul ernannt haben. Viele Schäfer und Bauern behandelten ihre Tiere mit Zuneigung und Fürsorge, genau wie einige Sklavenhalter ihre menschlichen Sklaven mit Zuneigung und Fürsorge behandelten. Nicht umsonst wurde der Hirte zum Vorbild für Könige und Propheten.
Doch aus Sicht der Herde kommt man fast unweigerlich zu dem Schluss, dass die landwirtschaftliche Revolution für die überwiegende Mehrheit der domestizierten Tiere eine schreckliche Katastrophe bedeutete. Der evolutionäre Erfolg ist völlig bedeutungslos. Wenn Sie die Wahl hätten, als seltenes Nashorn zu leben, dessen Art vom Aussterben bedroht ist, oder als Kalb, das sein kurzes Leben in einer winzigen Kiste verbringt und gemästet wird, um zu saftigen Filets verarbeitet zu werden – wofür würden Sie sich entscheiden? Die Tatsache, dass das Nashorn das letzte seiner Art ist, ändert nichts an seiner Zufriedenheit. Umgekehrt ist der
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